Obwohl Köln von meinem derzeitigen Wohnort nicht weit entfernt ist, hatte ich die LitBlog Convention (LBC) in den letzten Jahren nie so richtig auf dem Radar. Klar, ich wusste, dass es sie gibt und las einige Berichte darüber – aber irgendwie hatte ich die Anmeldung dann doch immer verpasst. Abgesehen davon reizte mich eine reine Blogger Convention auch nicht allzu sehr, da mich die Bloggerevents auf den Buchmessen meist enttäuschten (zu viel Werbeveranstaltung, zu wenig inhaltlicher Mehrwert für mich als Leserin und Bloggerin).
Dieses Jahr sollte sich das ändern. Der Grund dafür war zunächst Elena von Emerald Notes, die ich gerne einmal treffen wollte.
Als ich dann auch noch sah, dass es einen Programmpunkt zu Joey Goebel gab, war die Entscheidung gefällt. Und so brach ich am 18. Mai zum Verlagshaus von Bastei Lübbe auf, wo die Convention gemeinsam von Diogenes, Droemer Knaur, DuMont Kalenderverlag, Kiepenheuer & Witsch und Bastei Lübbe ausgerichtet wurde. Rückblickend wurde die LBC für mich zu einem der Highlights des (bisherigen) Jahres. Ich traf viele leidenschaftliche Menschen, erlebte informative und inspirierende Sessions und erschloss mir Bücher aus unterschiedlichsten Perspektiven und auf wahrhaft sinnliche Weise: Es gab zu sehen, zu schmecken, zu hören, zu fühlen und sogar zu riechen.
Den Auftakt bildete der Vortrag „Blackbox Herstellung. Content rein, Buch raus – wie geht das?“ Hanne Mandik von Kiepenheuer & Witsch gewährte darin Einblicke in die Buchproduktion. Mit ansteckender Begeisterung erzählte sie von den Produktionsprozessen, dem zeitlichen Vorlauf, den es bis zur Auslieferung eines fertigen Buches benötigt, den einzelnen Korrekturvorgängen und den vielen Detailfragen, die es bei der Gestaltung zu beantworten gilt. So erfuhren wir beispielsweise den Unterschied zwischen Versal- und Mediävalziffern und wieso in Büchern immer letztere verwendet werden. Ein wenig Besorgnis machte sich auf den Gesichtern breit, als Hanne Mandik ein Buch lässig am Lesebändchen herumwirbelte. Doch hier zeigte sich echte Qualität: Das Buch blieb unversehrt.
Für ordentlich Gesprächsstoff sorgte das Thema Schutzumschläge. Dabei ging es nicht nur um die klassische Frage, ob man den Umschlag beim Lesen ablegt oder nicht, sondern auch um den generellen Sinn eines solchen Umschlages. Was mein bibliophiles Herz in Hanne Mandiks Session jedoch wirklich höherschlagen ließ, waren die Einblicke in Kat Menschiks aufwendig gestaltete Bücher und die Vielfalt an Farben und Materialien für Einband, Kapitalbändchen und Co. Da ich für mein Unikat von „Krieg und Frieden“ selbst mit den verschiedenen Gestaltungsfragen konfrontiert war, weiß ich, wie schwer solche Detailfragen sein können. Dennoch war es auch für mich wieder einmal beeindruckend, wie sehr eine gelungene Optik und Haptik von Kleinigkeiten abhängen.
Mein weiterer Tagesverlauf war vom Diogenes Verlag geprägt. Zunächst besuchte ich eine Session zu Martin Walker und dem „Périgord als kulinarische Inspiration“. Der Journalist und Autor Martin Walker ist im deutschsprachigen Raum vor allem für seine Krimis bekannt. Nun greife ich bekanntermaßen sehr selten zu diesem Genre, doch wenn ein Krimiautor Kochbücher schreibt, ist meine Neugier geweckt. Walkers Geschichten um den Polizeichef Bruno sind nicht nur von der französischen Wahlheimat des Autors geprägt, sondern auch von der Liebe für gutes Essen. Ein Kochbuch, das in Verbindung mit dem Périgord und Protagonist Bruno steht, bot sich daher an – umso mehr, da Martin Walker und seine Frau Julia Watson selbst leidenschaftliche Gärtner und Köche sind. Bereits 2014 erschien bei Diogenes daher „Brunos Kochbuch“; in diesem Herbst folgt nun „Brunos Gartenkochbuch“. Lektorin Anna von Planta sprach dabei mit ansteckender Begeisterung von Walker, dem Alltag im Périgord und welch ein Fest das Essen dort ist. Zum Glück war die Session direkt vor der Mittagspause angesetzt, denn obwohl Anna von Planta uns allen eine himmlische Tarte au Citron nach dem Rezept von Martin Walker mitbrachte, gingen wir nach den vielen köstlichen Einblicken mit großem Appetit aus der Veranstaltung.
Nach einer kleinen Stärkung ging es bei Diogenes mit dem Programmpunkt weiter, auf den ich mich am meisten freute: dem Vortrag über Joey Goebel. Im Nachhinein weiß ich nicht, wem diese Session den meisten Spaß machte – Lektorin Anna von Planta oder uns Leser*innen, die den Autor und seine Geschichten bereits kennen und lieben. Auf jeden Fall ließ sich in allen Gesichtern pure Begeisterung erkennen.
Anna von Planta brachte uns Joey Goebel auf so leidenschaftliche, informative und unterhaltsame Art nahe, dass auch jene, die noch nie etwas von Goebel gelesen hatten, neugierig wurden. Eigentlich ist das auch kein Wunder, denn – wie Anna von Planta treffend bemerkte – „Joey Goebel ist einfach eine coole Socke.“ Das Bild, das die Lektorin von Goebel zeichnete, deckte sich dabei auch sehr mit dem Eindruck, den ich nach der Lektüre seiner Bücher hatte. Ich freue mich daher umso mehr auf seine bevorstehende Lesung in Gütersloh.
Für Joey Goebel wird die Lesereise nach Europa übrigens das erste Mal sein, dass er wirklich „raus“ kommt: Er lebt nach wie vor in der Kleinstadt Henderson, Kentucky, in der er aufwuchs und die immer wieder Vorbild für die Kleinstädte in seinen Geschichten ist. Auch sonst finden sich viele Parallelen zwischen Joey Goebels Leben und dem seiner Figuren. Beispielsweise arbeitete Goebels Mutter als Trödelhändlerin – genau wie die Mutter in der Kurzgeschichte „Antikmarktmädchen“. Auch spielten der Autor und mehrere seiner Figuren in einer Punkrockband. „Die Welt in seinen Büchern ist die Welt, in der er seit jeher lebt“, wie Anna von Planta Goebels Werk zusammenfasst. Genau das macht Joey Goebels Geschichten auch so authentisch und glaubhaft, obwohl die Figuren und Handlungen häufig überspitzt oder satirisch dargestellt sind.
Darüber hinaus erzählte Anna von Planta, wie nur ein einziger Satz aus „Vincent“ (im Original: „Torture the Artist“) dazu führte, dass Joey Goebel in Diogenes seinen deutschsprachigen Verlag fand. Traurigerweise hat der Autor in seinem Heimatland mittlerweile keinen Verlag mehr – trotz großer Fangemeinden in Europa, Russland und Japan.
Nach den beiden großartigen Sessions des Diogenes Verlages ging es für mich in den Keller, genauer gesagt ins Tonstudio. Dort erzählte uns das Team von Lübbe Audio mehr über die Entstehung ihrer Hörbücher und Hörspiele. Autorin Dania Dicken stellte zudem ihre Thriller-Reihe „Profiling Murder“ vor, die sie von Anfang an mit Blick auf eine Hörbuchversion schrieb. Konkret hieß das: kürzer, knackiger, keine ausschweifenden Beschreibungen, mehr Tempo. Wer mochte, konnte mit Dania Dicken sogar einen Ausschnitt ihres Buches im Tonstudio einsprechen. Hier erlebten wir live, wie das Team von Lübbe Audio während des Aufnahmeprozesses arbeitet und wie mit Versprechern und der Aussprache von Namen und Fremdwörtern umgegangen wird. Da ich selbst schon in Studios saß und arbeitete, barg das Aufnehmen für mich wenig Neues. Spannender fand ich, wie der Verlag seine Sprecher*innen wählt und wie die generellen Abläufe und Rahmenbedingungen sind. Bei Lübbe Audio erfolgt die komplette Produktion – von der Planung über Aufnahme und Regie bis hin zum Schnitt – im eigenen Haus. Lediglich die Produktion von Hörspielen wird aufgrund des höheren Aufwandes an externe Firmen vergeben. Pro Tag muss ein*e Sprecher*in übrigens zwei CDs aufnehmen. Im Laufe eines Jahres entstehen so rund 200 Produktionen.
Mein letzter Programmpunkt war erneut eine Veranstaltung von Diogenes und ein sehr kreatives, achtsames Erlebnis. Unter dem Titel „Schreiben mit allen fünf Sinnen“ machte Simone Lappert uns bewusst, wie sehr sinnliche Eindrücke beeinflussen, welches Bild wir von einer Geschichte und ihren Figuren erhalten. Die sympathische Schweizer Autorin gibt regelmäßig Schreibworkshops. Dabei falle ihr immer wieder auf, dass viele der Teilnehmenden beim Beschreiben von Personen, Orten und Geschehnissen nur auf der visuellen Ebene bleiben. Geschildert wird, was mit dem Auge wahrnehmbar ist. Doch je mehr Sinne in einem Text angesprochen werden, desto mehr Tiefe erhält er und desto greifbarer wird das Beschriebene. Simone Lappert versucht daher in ihren Workshops, aber auch bei ihren eigenen Texten, den Fokus auf die übrigen Sinne zu richten. Wie sich das im Text spiegeln kann, wurde uns anhand eines Ausschnittes aus ihrem im August erscheinenden Roman „Der Sprung“ verdeutlicht.
Anschließend lud uns die Autorin zu einem Wahrnehmungsexperiment ein: Auf der Dachterrasse des Verlagshauses sollten wir für einige Minuten mit geschlossenen Augen die Welt um uns herum wahrnehmen – eine Übung, auf die ich mich leicht einlassen konnte, erinnerte sie mich doch an meine Yoga- und Meditationspraxis. Nach ein paar Minuten des Lauschens, Riechens und Fühlens hielten wir unsere daraus entstandenen Empfindungen und Gedanken schriftlich fest. Vorgaben zum Text gab es keine. So entstanden Momentaufnahmen, Gedichte und kurze Geschichten.
Für mich bot diese Session einen gelungenen, entschleunigenden Abschluss des Tages und ich ging sehr inspiriert aus dieser Schreibübung. Sicher werde ich die Anregungen auch im Alltag hin und wieder einbinden, denn unabhängig vom eigentlichen Schreibtraining eignet sich die Übung auch sehr, um die Welt um sich herum bewusster zu erleben.
Neben den einzelnen, abwechslungsreichen Sessions machten die hervorragende Organisation und die Begegnungen mit anderen Blogger*innen die LBC zu einer rundum gelungenen Veranstaltung. Ich hatte beispielsweise endlich die Gelegenheit, die liebe und fröhliche Elena zu treffen, die mich direkt mit kulinarischen Tipps für meine zukünftige schwäbische Wahlheimat versorgte. Sehr gefreut habe ich mich auch, Ute von buchstapelweise nach mehreren Jahren und diversen gemeinsamen Leserunden persönlich kennenzulernen. Ein schönes Wiedersehen gab es mit Jule von Jules Leseecke, die mich mit ihrer guten Laune ansteckte und zu einem Meditationstagebuch motivierte. Außerdem begegnete ich neuen Bloggerinnen, die seitdem meine Timelines bereichern, so zum Beispiel Hanna und Ingrid von Buchsichten oder Ursula von Lese_verliebt.
In diesem Sinne ein großes Dankeschön an alle beteiligten Verlage, Autor*innen, Sponsor*innen, Mitarbeiter*innen und Blogger*innen, die die LitBlog Convention zu einem so vielseitigen und bereichernden Tag gemacht haben. Wir sehen uns (hoffentlich?) in 2020 wieder!
Liebe Kathrin,
das klingt nach einer hochinteressanten, vielseitigen, bunten und begegnungsbereichernden Veranstaltung, die etwas für Gefühl und Verstand und Sinnlichkeit zu bieten hatte.
Solche Treffen mit begrenzter Teilnehmerzahl sind ja doch persönlicher und übersichtlicher als eine Buchmesse, die doch immer recht reizüberflutend und erschöpfend ist.
Sonnige Grüße von
Ulrike :-)
Liebe Ulrike,
ich war wirklich im Vorfeld skeptisch, da ich fürchtete, eventuell doch nur wieder eine große Werbeveranstaltung zu erleben. Aber das hat sich zum Glück nicht bewahrheitet und ich habe aus dem Tag wirklich sehr viel an Inspiration und Information mitnehmen – und natürlich auch die Bloggerbegegnungen genossen. Die begrenzte Teilnehmerzahl hat da auf jeden Fall auch reingespielt – es war nicht so gedrängt, strukturiert und alles insgesamt deutlich entspannter als auf einer Messe. Und: Der Tag war von Struktur und Organisation auch besser als jeder Fachtag/ jede Konferenz, die ich auf beruflicher Ebene erlebt habe.
Vielleicht verschlägt es dich in den kommenden Jahren ja auch einmal zur LBC – ich würde mich freuen, wenn wir uns dann auch einmal persönlich kennenlernen können. :)
Liebe Grüße und eine wunderbare Woche!
Kathrin
Kling nach einem fantastischen Event und macht direkt Lust auch mal an sowas teilzunehmen! :D Die Mischung der Themen klingt auch extrem gelungen. Was springt bei den Verlagen dabei raus? Kontakt zu Bloggern? Oder sehe ich das jetzt du „dunkel“, dass immer für jemand was rausspringen muss?
Was heißt schon „rausspringen“? … Natürlich darf man nicht so naiv sein und glauben, dass die Verlage das aus reiner Freude und Altruismus tun. So ein Event schafft Kontakte (z. B. für Kooperationen) und vor allem Präsenz in den Medien – einerseits als klassische Public Relations der Marke (sprich: des Verlags), andererseits in Form von Sichtbarkeit/“Werbung“ für bestimmte Titel, die entweder Thema der Sessions waren oder sich in der Goodie Bag fanden. Das zeigt sich gerade auch wieder auf Instagram sehr stark, wo mir in den letzten Wochen verstärkt die Titel begegneten, die in irgendeiner Form mit der LitBlog Convention in Verbindung stehen.
Aber im Gegensatz zu bspw. Lesungen oder den Events auf der Buchmesse ging es auf der LBC zum Glück nicht vorrangig darum, einen bestimmten Titel oder Autor schnell und absatzförderlich zu pushen, sondern überwiegend darum, den Bloggenden Hintergrundwissen und ein Gefühl für das Verhältnis zwischen Autoren und ihrem Gesamtwerk zu geben, Transparenz für den Buchmarkt und Produktionsprozesse zu schaffen. Das wiederum kann längerfristig prägen, wie über Bücher im Allgemeinen geschrieben wird.
Zumindest war dies mein Empfinden der Sessions/ des Tages. :)
Also ich bin alle 2 Jahre dort, da sich die Session inhaltlich immer etwas wiederholen. Theoretisch wäre ich also nächstes Jahr dann auch wieder dabei :P Ist wie ein kleinen Familientreffen und manchmal geht man in eine Session, die man gar nicht sehen wollte und geh begeistert aus der Tür raus :D
Oh, dann sehen wir uns hoffentlich 2020! :) Ja, manche Sessions überraschen wirklich und vermutlich ist es gut, sich auch mal bewusst die Sessions vorzunehmen, die auf den ersten Blick nicht den eigenen Präferenzen entsprechen.