Überall ploppen sie nun wieder auf, die begeisterten Rückblicke auf die Leipziger Buchmesse. Doch dieses Mal nicht bei mir. Zwar war auch ich wieder vor Ort, allerdings fielen diese zwei Tage für mich nicht annähernd so erinnerungswürdig aus wie in vergangenen Jahren. Damit meine ich nicht, dass die Messe grundsätzlich schlecht gewesen wäre: Sehr genossen habe ich das Wiedersehen mit Steffi und Sindy; ich habe mich gefreut, Sabine nun auch offline kennengelernt zu haben und ich stöberte wie immer gern auf der Manga Comic Con. Doch abseits dessen empfand ich die Messe nicht erfüllend. Das hatte nicht den einen bestimmten Grund, sondern ist ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die bereits in den letzten zwei Jahren unterschwellig in mir brodelten und in diesem Jahr einfach überliefen.
Quetschen, Schieben, Drängeln, Warten
Als ich vor zwölf oder 13 Jahren erstmals über die Leipziger Buchmesse schlenderte, war diese bereits gut besucht, bot aber selbst am Samstag noch genug Raum und Luft, um ohne Stress und Gedränge durch die Hallen zu streifen. Vor den Damentoiletten mussten wir nie länger als fünf Minuten warten; die Cosplayer konnte man bereits aus größerer Entfernung bestaunen; den Lesungen konnte auch noch aus einigen Metern Entfernung problemlos gelauscht werden und beim Schlendern durch die Hallen bot sich genug Weite, um schnell einen Überblick über die Stände der Verlage und Autoren zu erhalten. Für mich war die Buchmesse dadurch in den ersten Jahren voller Entdeckungen, Licht und entspanntem Flair. Heute brauche ich 30 Minuten, um von Halle 1 in Halle 4 zu gelangen; das Laufen gleicht eher einem Schieben; die Luft ist stickig; vor Toiletten und den bescheidenen zwei Bankautomaten wartet man samstags schon mal 20 Minuten und alles fühlt sich nur noch nach Stress und nicht nach Inspiration oder Genuss an. Die Kostüme der Cosplayer nehme ich mittlerweile leider kaum noch wahr, weil sie in den Menschenmassen zu leicht untergehen und mir erst auffallen, wenn sie direkt vor mir stehen. Den Blick einfach mal in Ruhe über einen Messestand schweifen zu lassen, ist ebenfalls kaum noch möglich, da jegliche Sicht in diesem Gedränge versperrt ist. Hinzu kommt ein ständiges Hintergrundrauschen, das an einen Bienenstock erinnert und das Zuhören bei Lesungen erschwert oder zum Teil sogar unmöglich macht. Das diesjährige Gespräch mit Bernhard Schlink auf dem Blauen Sofa habe ich mir daher bereits nach zwei Minuten freiwillig entgehen lassen, da ich in der schätzungsweise zehnten Reihe kein einziges Wort verstehen konnte – vor rund fünf Jahren konnte ich problemlos den Gesprächen lauschen, während ich 50 Meter weiter in der Warteschlange für eine Signierstunde stand und sich neben mir andere Messebesucher unterhielten.
Ich freue mich, dass die Leipziger Buchmesse so beliebt ist und dass es so viele Lesende in diese schöne Stadt zieht. Doch dieses Mehr an Menschen erfordert auch ein Mehr an Platz und Infrastruktur, das mittlerweile jedoch nicht mehr geboten werden kann – die Parkplätze am Messegelände und in den umliegenden Gebieten sind überfüllt, auf den Autobahnabfahrten steht man für lausige drei Kilometer zweieinhalb Stunden im Stau, die öffentlichen Nahverkehrsmittel gleichen trotz Fahrten im Minutentakt Sardinenbüchsen und an den Garderoben wartet man zum Teil eine Stunde. Sämtliches Personal in und um die Messe steht permanent unter Strom und ich ziehe meinen Hut vor allen, die während dieser Tage nicht ihre Nerven oder ihre Stimmen verlieren. Und trotz stetig erhöhter Sicherheitsmaßnahmen kreist in meinem Kopf seit zwei Jahren die Frage: Was wäre, wenn auf der Messe ein Feuer, eine Massenpanik oder dergleichen ausbräche? Die Antwort, die mein Kopf sich selbst immer wieder darauf gibt, ist ernüchternd.
Leider tickt unsere Welt so, dass für die meisten Menschen nicht Qualität, sondern Quantität zählt; wichtig sind gute Statistiken und Wachstum. Auf welche Kosten dieses Wachstum geht, wird dabei bewusst oder unbewusst ignoriert. Auch die Leipziger Buchmesse hat sich in den vergangenen Jahren regelmäßig mit neuen Besucherrekorden selbst auf die Schulter geklopft.[1] Mir persönlich wäre es jedoch lieber, wenn man sich in Zukunft statt auf weiteres Wachstum auf weitere Lösungen zum Umgang mit diesen steigenden Besucherzahlen konzentrieren würde. Ich vermisse die Zeiten, in denen die Buchmesse nicht durch Enge, Lärm und stickige Luft gekennzeichnet war, sondern durch weite, offene Flächen und Raum zum entspannten, gemütlichen Stöbern.
Was will ich auf der Messe eigentlich?
Wenn ich zur Buchmesse fahre, tue ich das zuallererst als Leserin. Natürlich treffe ich mich vor Ort gern mit Bloggerkolleginnen, allerdings eher für einen privaten Plausch, ein gemeinsames Stöbern und außerhalb irgendwelcher größeren Veranstaltungen. Ich habe kein Interesse mehr an den meisten Bloggerevents, die – wie Steffi es bei unserem Treffen auf den Punkt brachte – oft an Kaffeefahrten erinnern. Ich nutze die Messe auch nicht, um mir im (noch nicht mal eingetretenen) Frühling Verlagsprogramme für den Herbst vorstellen zu lassen oder mich mit Rezensionsexemplaren einzudecken. Ich möchte stattdessen Literatur erleben, das Lesen zelebrieren – als Leserin, als Liebhaberin von Geschichten, denen ich vor Ort auf Lesungen und in Gesprächen lauschen kann. Doch das wird für mich von Jahr zu Jahr schwerer, einerseits aufgrund der wachsenden Menschenmassen, andererseits weil ich seit 2016 beim Blick ins Programm das Gefühl bekommen habe, dass es immer die gleichen Themen, immer die selben Autoren sind, die die Messetage bestimmen. In diesem Jahr gab es keinen einzigen Programmpunkt, für den ich alles andere stehen und liegen gelassen hätte, den ich auf keinen Fall verpassen wollte. Ich habe mich beim Blättern durchs Programm sogar regelrecht gelangweilt. Und die wenigen Programmpunkte, die meine Neugier wecken konnten, fielen vor Ort durchweg enttäuschend aus: weil sie zum Teil unvorbereitet und/ oder unprofessionell wirkten, weil die Beteiligten sich in Insidergesprächen und -witzen verloren, die das Publikum ausschlossen oder weil die Akteure in Palaver ohne Mehrwert verfielen.
Die größte Enttäuschung in diesem Jahr war ein Gespräch des 3sat mit Denis Scheck und Andreas Eschbach über Science Fiction und „die Kraft des Utopischen“. Das Gespräch begann zunächst vielversprechend und ich war positiv überrascht, als sich Denis Scheck für Science Fiction aussprach und kritisierte, dass die meisten Journalisten im Feuilleton unberechtigterweise über diese Form der Literatur die Nase rümpfen. Leider wurde es danach nur noch oberflächlich und unsachlich: Denis Scheck, der schnell die Gesprächsführung übernahm und die anderen kaum zu Wort kommen ließ, stempelte das Internet und überhaupt alle aktuellen technologischen Entwicklungen einfach mal als unnütz ab und stellte die in seinen Augen allgemeingültige These auf, dass doch keiner behaupten könne, dass digitale Medien irgendwem das Leben leichter oder angenehmer gemacht hätten. Die Menschheit hätte vor wenigen Jahrzehnten eine Art technischen und wissenschaftlichen Höhepunkt erreicht, von dem es seither quasi nur noch bergab gehe. Überraschenderweise fand Scheck dafür Zustimmung bei Science Fiction-Autor Eschbach, der den guten alten Karteikasten bevorzuge, weil dieser in seiner Entwicklung einfach perfektioniert sei und sich eben über all die Jahrhunderte bewährt hätte. Wirkliche Argumente lieferten Scheck und Eschbach jedoch nicht, vielmehr beruhten ihre Aussagen auf einem subjektiven „Früher war alles besser und alles Neue ist doof“-Empfinden. So erinnerte das Gespräch nicht an ein Fachgespräch, sondern eher an eine Stammtischrunde. Gefehlt hat hier lediglich noch Dauerpolemiker Manfred Spitzer. Nach 30 Minuten haben Steffi und ich diese Veranstaltung verlassen, weil uns unsere Zeit für eine so undifferenzierte Auseinandersetzung mit nicht unwichtigen Themen zu kostbar war.
Auch außerhalb der Veranstaltungen verlor die Messe inhaltlich an Attraktivität für mich, da Stände verkleinert wurden oder bewährte Angebote wie das Go-Areal auf der MCC wegfielen. Vorfälle im Zusammenhang mit der rechten Szene oder mit respekt- und rücksichtslosem Securitypersonal tun dann noch ihr Übriges, damit ich mich auf der Leipziger Buchmesse nicht mehr heimisch fühle.
Buchliebe – aber nicht um jeden Preis
Nun könnte ich den Stress durch die Massen und das unbefriedigende Programm einfach mit einem gleichgültigen Schulterzucken abtun, schließlich genießen wir Blogger kostenfreien Eintritt. Aber nicht jeder Messebesucher ist Blogger. Denke ich an das normale Publikum, das in jedem Jahr mehr für einen Besuch zahlt (seit meinem ersten Besuch haben sich die Preise etwa verdoppelt) und dabei immer weniger von dem Messebesuch hat, weil es durch das hohe Verkehrsaufkommen stundenlange Anreisen aushalten muss, sich dann durch die erdrückenden Menschenmassen quetschen darf und die Hälfte der Zeit vor Ort in irgendwelchen Warteschlangen zubringt, staune ich darüber, dass es tatsächlich immer wieder so viele zahlende Besucher gibt. Würde ich bei den ständig steigenden Ticketpreisen und unter den aktuellen Rahmenbedingungen als normaler, zahlender Besucher zur Leipziger Buchmesse fahren? Einmal – und nie wieder. Lieber würde ich dieses Geld in einen lang gehegten Buchwunsch oder ein kleineres, lokales Event investieren.
Und nun?
Jahrelang habe ich die Leipziger Buchmesse geliebt, sie war immer eines der Highlights, war euphorisierend, inspirierend, berauschend. In den letzten Jahren haben sich diese Gefühle verloren, ich bin zunehmend enttäuscht, gelangweilt und gestresst von der Messe. In diesem Jahr stand ich mehrfach in der Versuchung, meinen Messebesuch kurzfristig ausfallen zu lassen – allein die geplanten Treffen mit Sindy und Steffi sowie die Aussicht auf die bunte Manga- und Comicvielfalt auf der MCC boten mir Anreize, die Messe aufzusuchen. Doch weder für das eine, noch für das andere bedarf es zwingend einer Messe. In den kommenden Jahren werde ich die Buchmesse nur noch besuchen, wenn ich im Programm ein wirkliches Highlight entdecke oder ich aus familiären Gründen sowieso in der Nähe bin. Ohne konkrete Anreize ist mir die Messe die rund 1.000 km auf Deutschlands Autobahnen nicht wert. Und was die Treffen mit lieben Bloggerkolleginnen Freundinnen angeht: Die besuche ich künftig lieber abseits von Menschenansammlungen und wenn jede von uns ohne konkreten Zeitplan ist, so können wir die gemeinsamen Stunden auch direkt mehr genießen.
[1] Bedingt durch den Schneefall und das Chaos, dem die Deutsche Bahn und die Stadt Leipzig nicht Herr werden konnten, verzeichnete die Leipziger Buchmesse in diesem Jahr ausnahmsweise keinen neuen Besucherrekord. Brechend voll waren die Hallen dennoch.
Ich war dieses Jahr gar nicht da. Ich hatte irgendwie gar kein Bedürfnis danach, hinzufahren. Konnte gar nicht so recht festmachen, woran es lag, aber wenn ich deinen Artikel lese, kleidet er im Grunde haargenau in Worte, was ich im letzten Jahr dachte.
Liebe Grüße
Liebe Mareike,
danke für deine Worte! Ich hätte, ehrlich gesagt, nicht gedacht, dass andere auch so empfinden, weil ich immer nur die begeisternde Berichte wahrnehme. Ich konnte auch lange nicht benennen, was mich stört und dachte, dass ich nach all den Jahren vielleicht einfach nur übersättigt bin – in diesem Jahr hatte ich aber Zeit und Ruhe, um festzumachen, was ich vermisse bzw. was mir „zu viel“ geworden ist. Ich bin immer sehr gern auf die Messe gegangen … vielleicht kann ich sie in ein paar Jahren mit etwas Abstand wieder mehr genießen.
Warst du schon einmal in Frankfurt zur Messe?
Viele Grüße
Kathrin
Ich kann mir die Messe nach deinem Bericht lebhaft vorstellen. Genau aus den Gründen bin ich bisher nie auf einer Buchmesse gewesen. Diese Menschenmassen und das damit verbundenen Gedränge und „jeder ist sich selbst der nächste“ verhageln mir das Erlebnis schon in der Vorstellung. Ich habe mich immer wieder gefragt, warum so viele davon begeistert sind. 🤔
Liebe Grüße
Sabine
Liebe Sabine,
so eine Messe hat ja durchaus ihr eigenes Flair und allein das Wissen, dass sich hier so viele versammeln, die das Lesen lieben, gibt einem anfangs ein schönes Gefühl. Aber ja, man muss mittlerweile einiges aushalten können und ich staune, ehrlich gesagt, immer, wenn ich Eltern sehe, die ihre kleinen Kinder durch dieses Chaos schleifen – wie hart muss es für die Kleinen sein, wenn all die Menschen und Reize, denen man dort ausgesetzt ist, schon für uns Erwachsene so anstrengend sind?
Liebe Grüße
Kathrin
Ich werde durch Deinen Artikel gerade an etwas erinnert, was ich mir schon bei meinem Besuch auf der ComicCon in Dortmund 2017 dachte: Ich bezahle hier 20 Euro Eintritt, damit ich mir Sachen angucken darf, die ich kaufen soll. Ok, natürlich sieht man auch Künstlerinnen und Künstler, Cosplayer etc. (wenn man denn im allgemeinen Gedrängel dazu kommt), sodass sich der Eintritt in gewisser Weise für viele Menschen sicherlich lohnt. Aber irgendwie stört mich das Grundproblem „Geldausgeben müssen, um Geldausgeben zu dürfen“ schon ein bisschen ;-)
Hallo Michael,
bei den ComicCons ist das alles ja noch extremer: Dort muss man doch (zum Teil?) sogar für Autogramme und Fotos zahlen, was ich bei 20 € Eintritt nicht gerechtfertigt finde. Aber klar, mit Buchmessen ist es ähnlich: Sieht man von Bücher aus kleinen/ jungen Verlagen ab, welche sich im lokalen Buchhandel oft nicht wiederfinden, kann man auf der Buchmesse exakt das gleiche kaufen wie anderswo – aufgrund der Buchpreisbindung sogar zu den gleichen Preisen und nicht wie bei anderen Messen mit entsprechenden Rabatten. Ein bisschen absurd ist das ganze System also wohl wirklich. Umso wichtiger finde ich daher andere Angebote abseits der reinen Buchvermarktung, z. B. Diskussionen.
Viele Grüße
Kathrin
Ich war zwar „nur“ auf der Frankfurter Buchmesse an einem Besuchertag: 2007 und 2016. Als ich 2016 da war, habe ich mich gefragt, ob meine Erinnerung mich täuscht und es dort in den beliebten Hallen schon immer so voll war. Aber scheinbar hat die FBM eine ähnlich schleichende Entwicklung wie die LBM durchgemacht. :(
Wirklich schade, wenn selbst Buchmessen Quanität statt Qualität als ihre neue Handlungsmaxime ansehen.
Hallo liebe Hotaru :)
In Frankfurt war ich erst einmal, fand es dort aber ebenfalls unangenehm voll – in Verbindung mit den vielen Hallen und den verwirrenden Verbindungen zwischen diesen (ich verirrte mich regelmäßig) war ich dort schnell überfordert, weshalb mir die Lust auf eine Wiederholung direkt verging.
Grundsätzlich ist es ja positiv zu bewerten, dass Buchmessen so viel Anklang finden – gerade in Zeiten, in denen Kulturpessimisten gerne behaupten, dass immer weniger gelesen würde. Doch irgendwie müssen vernünftige Lösungen her, wie man diesen Andrang handlen kann. Vielleicht müssen sich die Messen inhaltlich mehr spezialisieren (z. B. die Angebote für Lehrkräfte und Pädagogen ausschließlich nach Frankfurt verlegen und die Publikumsmesse Leipzig wirklich auf den Manga-, Comic- und Eventcharakter konzentrieren) oder die Tage stärker an den Zielgruppen ausgerichtet werden (z. B. Donnerstag ausschließlich Schulklassen und „Dienstliches“, Freitag Blogger, Journalisten und Cosplayer, Samstag und Sonntag Familien und „normale“ Leser). Auf jeden Fall kann es so wie in den letzten Jahren nicht ewig weitergehen.
Liebe Grüße
Kathrin
Das kann ich gut verstehen, so ging es mir schon vor zwei, drei Jahren und ich bin seither auch nicht mehr da gewesen. Viele Veranstaltungen haben sich aber auch ins Umfeld, also die Stadt selbst verlegt. Da ich aber meist nur einen Tag da war, kam das für mich leider nicht infrage.
Bücher sollte man nicht auf der Messe kaufen, das kostet die Verlage zu viel. Bestellt sie lieber direkt beim Verlag auf dessen Homepage, da bleibt wenigestens auch ein bisschen was bei den Machern hängen.
Vielleicht hat sich auch irgendwann der Reiz des Neuen verloren, denn so wirklich viel anderes wird ja nicht geboten, es sieht meist fast gleich aus und ja, wie Du schreibst, Themen wiederholen sich ständig. Eigentlich fährt man nur hin, um mal wieder ein paar Leute zu treffen (was ja auch wieder gut ist :)). Dieses Jahr jedenfalls hatte ich wieder keine Lust und es nicht bereut.
Danke, Soleil, für deine Einblicke! Das ist mir gar nicht bewusst gewesen, dass der Verkauf auf der Messe für die Verlage so kostspielig ist. Ich hatte zwar mal vor Jahren gehört, dass Verlage für die Nutzung der (mobilen) Messebuchhandlung eine Art Gebühr zahlen müssen und deswegen kleine Verlage diesen Dienst früher nicht genutzt haben, doch dachte ich, dass sich dies mittlerweile geändert hat bzw. günstiger geworden ist, da ich inzwischen auch immer öfter kleine Verlage sehe, die auf diesen Service zurückkommen.
Ja, die Verteilung von Veranstaltungen ins Zentrum und die Umgebung ist auch toll und macht den Charme der Messe mit aus. Aber wie du bin ich auch nur ein bis zwei Tage vor Ort und nach dem Schlendern durch die eigentliche Messe oft zu groggy. Hinzu kommt, dass die Parkplatzsuche in der Innenstadt auch nicht immer einfach ist und man mit etwas Pech nicht zur Veranstaltung reingelassen wird, weil schon zu viele Besucher vor Ort sind und die Räumlichkeit nicht noch mehr Personen aufnehmen kann.
Na ja, die Verlage stehen da ja nicht mit ihren Ständen, weil man ihnen was Gutes tun möchte und dann quasi auslost, wer kommen darf, sondern die zahlen ja ziemlich hohe Standgebühren je nach Größe. Wer das irgendwie wieder reinbekommen will, muss ja zwangsläufig auch was verkaufen, aber ja, die Gebühr gibt es natürlich immer noch. Alle Preise steigen stetig. Hier darf dann gern gemunkelt werden, inwiefern das Interesse an noch mehr Besuchern und mehr und mehr mit eben diesen Preisen zusammenhängt *hüstel* Warum auch kleine Verlage immer wieder kommen, liegt auf der Hand. Ich bemängle ja nicht erst seit gestern, dass sich die meisten Blogger nicht für das Machen von Büchern interessieren und auch bei „Professionalisierung“ wieder nur vom Geld sprechen, diesmal dem, das ihnen zustünde. Dass niemand loszieht und überhaupt mal nachschaut was es für Verlage überhaupt gibt, eben auch die wirklich kleinen, die sich das meiste der großen Verlage nicht leisten können, gerade wenn es um Marketing geht, deren Bücher den aus anderen Verlagen aber in nichts nachstehen. Ich finde die Entwicklung auf vielen Gebieten mittlerweile sehr bedenklich und wir brauchen uns nicht wundern, wenn wir einerseits das Gefühl bekommen, immer nur das Gleiche vorgesetzt zu bekommen und andererseits der individuelle Markt mehr und mehr schrumpft.
Es gibt noch ein paar kleinere Veranstaltungen, die oft von eben diesen Büchermachen mit gestaltet werden. Hier einen Blick zu riskieren, schadet sicher auch nicht unbedingt.
Ach Mensch … das ist er nun der Artikel und das Adieu an die LBM. Ein bisschen traurig macht es mich schon, wenn ich es lese und ich hoffe ja doch irgendwie, dass wir uns dort nochmal wiedersehen. Bin aber eine große Befürworterin des „sich-außerhalb-treffens“. Weil man ja eben kaum Zeit hat vor lauter „zeitplan“. Aber ich verstehe auch deine Argumente. Für mich gab es jedes Jahr noch irgendein „Ereignis“, dass es mir Wert war hinzufahren. Sei es das erste Mal dich oder Sabine zu treffen oder einen bestimmten Autor oder Manga-ka zu sehen. Das ging auch so ungefähr vor. Letztes oder vorletztes Jahr war für mich relativ veranstaltungsarm, aber irgendwie hatte mich die Messe noch am Haken und hat es immer noch. Ich mag es sehr gerne. Aber v.A. dein Argument mit der Massenpanik und dass man mehr Platz schaffen müsste, kann ich auf jeden Fall unterschreiben. Das ist einfach so – da muss irgendwie mehr Platz her. Ich weiß nicht wie, aber da sollte sich mal was tun.
Vielleicht hat sich bei mir diese Haltung noch nicht so krass eingestellt, weil ich viele Jahre auf der Messe nur mit Mappensichtungen und kurze Abstechern verbracht habe. Dass ich Autoren sehe, passiert erst seit ein paar Jahren. Vielleicht denke ich ein, zwei, drei Jahren genauso wie du jetzt. Schauen wir mal … und hoffen, dass bis dahin die Massenpanik nicht stattfindet o_o‘
Hach … Ein bisschen tat es mir auch in der Seele weh. Ich liebe die Begegnungen vor Ort und einzelne Elemente, aber in den letzten Jahren war es immer schwerer, dass diese positiven Momente all den Stress, die Wärme, die schlechte Luft und das ständige Warten „auffangen“ konnten.
Positiv habe ich in diesem Jahr allerdings erstmals das mobile Netz in Erinnerung – Anrufe kamen zwar nicht durch, doch SMS und Internet liefen selbst am Samstag einwandfrei, was für mich eine Premiere war. ^^
Es wird garantiert nicht meine letzte Messe gewesen sein, aber vorerst brauche ich Abstand und werde die künftigen Besuche sorgfältig abwägen. Ich möchte irgendwann gerne wieder über die Messe streifen und dort jeden Augenblick genießen können – das ist leider abhanden gekommen … Doch vielleicht ändert sich all das irgendwann wieder. Für das Platzproblem gibt es sicher nicht die eine, perfekte Lösung und man wird eventuell auch einfach mal verschiedene Lösungen ausprobieren müssen. Grundsätzlich fände ich es gut, wenn Tickets nicht unbegrenzt verkauft würden, sondern man pro Tag nur ein bestimmtes Kontingent bereitstellt.
Ich verstehe dich so gut, liebe Kathrin. So gut. Ich habe die Messen in den letzten Jahren nicht so sehr vermisst, wie es zu Beginn der Fall gewesen ist. Wenn Das einzige, was mir in den letzten Jahren wirklich fehlte, war das Wiedersehen & erstmalige persönliche Kennenlernen von Buchfreunden, die man sonst auf Grund der einen oder anderen Entfernung nicht so leicht zu Gesicht bekommt. Natürlich ist – für mich Stubenhocker zumindest – auch das Austreten aus dem Alltagstrott, mal wieder etwas Anderes sehen – wobei ich das weitaus stressfreier haben kann – reizvoll. Aber in erster Linie sind es die persönlichen Gespräche, die mir fehlen und das gemeinsame Bummeln an den Verlagsständen vorbei – wobei auch das in den letzten Jahren von Lärm und Geschubse getrübt wurde.
Ich hoffe, wir finden eine andere Gelegenheit, uns mal wieder zu sehen. Das würde mir sonst sehr fehlen ♥
Mit lieben Grüßen aus dem Osten
Sandra
Du triffst es gut auf den Punkt! Mir werden die Begegnungen auch fehlen – aber dann müssen wir halt andere Lösungen finden, um einander zu treffen. :) Natürlich ist so etwas auf einer Messe bequemer, weil man viele Personen auf einmal treffen kann, aber mit denen, die man ins Herz geschlossen hat, bleibt man auch außerhalb solcher Massenevents in Kontakt. :) Und wir bekommen so ein Treffen auch hin (das MÜSSEN wir :D ).
Hallo Kathrin,
ich war bisher einmal auf der LBM, 2005. Das war aber mehr aus der Freizeit heraus und weil ich da gerade im Leipzig war. Dadurch, dass ich völlig unvorbereitet da rein bin und damals auch mehr im Mainstream unterwegs war, hat mich diese schiere Masse an Mensch und Buch völlig erschlagen.
Seit ich den Blog führe zieht es mich schon mal wieder da hin, aber wenn ich deine Erfahrungen so lese, schreckt es mich auch wieder ab und ich habe das Gefühl, dass es mir ähnlich wie dir ergehen würde.
Schade, dass überall nur noch Profit im Vordergrund zu stehen scheint und nicht mehr das, worum es eigentlich geht – die Literatur. Schade finde ich dabei speziell, dass der eigentlich so schöne Buchpreis zur Leipziger Messe richtiggehend unterzugehen scheint bei dieser Flut an Messegelände. Schade vor allem deshalb, weil ich den Preis zur LBM mehr schätze als den Deutschen Buchpreis, weil eben nicht soviel Buhei darum gemacht wird.
Liebe Grüße
Marc
Hallo Marc,
ja, beim ersten Mal ist so eine Messe mit allem, was dazu gehört, schon erschlagend – allein durch die vielen Eindrücke. Aber 2005 war es tatsächlich noch entspannt und wenn es dir damals schon zu viel von allem war, würdest du mittlerweile wohl regelrecht überwältigt und überfordert sein. ;)
Grundsätzlich hat so eine Messe ihren eigenen Flair, aber in meinen Augen kann dieses „Lesefest“, diese Liebeserklärung an die Literatur bei so viel Gedränge und Lärm einfach nicht mehr die gewünschte Wirkung entfalten. Deinen Eindruck zum Buchpreis kann ich nur bestätigen. Ich mach mir zwar grundsätzlich wenig aus solchen Auszeichnungen, doch erfährt man vor Ort schnell, wer die Preisträger sind. In diesem Jahr habe ich vor Ort jedoch erstmals überhaupt nichts vom Preis der Leipziger Buchmesse mitbekommen, obwohl ich mich häufiger in der Glashalle aufhielt als in anderen Jahren. Es ist ein bisschen wie der sprichwörtliche Wald, den man vor lauter Bäumen nicht sieht.
Liebe Grüße
Kathrin
Liebe Kathrin,
ein sehr interessanter Beitrag. Ich war vor einigen Jahren auf der Buchmesse und hab es da nicht so extrem empfunden. Das muss sich zwischenzeitlich also nochmal echt gesteigert haben. Ein ganz ähnliches Problem haben wir hier in München und Umgebung. Egal zu welchen Event man geht, alles ist gnadenlos überlaufen und überteuert. Angebot und Nachfrage eben und nachdem München und seine Landkreise einen krassen Zuzug haben, und allgemeiner Wohlstand herrscht, ist hier entsprechend alles voll. Ich kann mich an einen Abend vor Weihnachten erinnern, wo wir nach dem Weihnachtsmarkt mit überteuerten Metroglühwein noch wo ein Bierchen zischen wollten und nirgends einen Platz für drei Leute gefunden haben, weil alles so rammel voll war. Mit dem Auto Richtung Stadt kann man auch vergessen, das ist völlig unmöglich geworden. Und mir gehts dabei wie dir, ich hab einfach keine Lust darauf mit den Menschenmassen zu schieben und völlig übertriebene Preise für ein mittelklassiges Massenerlebnis zu zahlen. Ich kann dich da nur sehr gut verstehen.
Die meisten Buchblogger sind ja immer total scharf auf die Buchmessen, was auf mich gar nicht zutrifft. Was dort vorgestellt wird, ist auch das, was man in allen Vorschauen oder Auslagen wieder findet. Die paar Klassiker, die im Jahr veröffentlicht werden, kann man mit entsprechenden Filtern vollständig bei Amazon durchscrollen und braucht dazu keine 10 Minuten. Wenn jemand von aktueller Literatur begeistert ist, dann ist das wahrscheinlich ganz schön, aber nachdem ich mittlerweile nahezu ausschließlich Klassiker lese, ist hinsichtlich Bücher auf den Messen für mich nur wenig geboten. Balzac ist da auch noch nicht aufgeschlagen, sonst würd ich da sofort auf der Matte stehen, auch mit Menschenmassen ;)
Aber du machst das ganz richtig: Man muss nicht alles mit machen und vielleicht wirds in ein paar Jahren wieder besser.
Liebe Grüße
Tobi
Hallo Tobi,
danke für deine Eindrücke! Der Vergleich mit der Situation zur Weihnachtszeit in München trifft es ganz gut. Nur mit dem Unterschied, dass euch in einem vollen Lokal kein Platz angeboten wird, während auf den Buchmessen trotz Überfüllung jeder weitere Besucher hereingelassen wird. ;)
Früher war es tatsächlich nicht so überfüllt. Es gab jedes Jahr einen weiteren Anstieg der Besucherzahlen. Extrem voll finde ich es seit ca. drei oder vier Jahren, also ungefähr seit der Zeit, in der die Blogs zunehmend in den Fokus rückten und plötzlich scharenweise aus dem Boden schossen. Das muss nicht zwingend zusammenhängen, aber zeitlich überschneiden sich diese beiden Entwicklungen stark.
Du hast natürlich recht: Die Bücher, die man vor Ort sieht oder die die Verlage ankündigen, kann man überall kaufen. Für mich lagen die Vorteile der Messe daher in der Abdeckung von Nischen, bspw. durch kleine Verlage, die vor allem Kinderbuchbereich oft richtige Schätze bereithalten, die es jedoch selten in die (kleinstädtischen) Buchhandlungen schaffen, oder eben durch die Auswahl an Comics und Mangas, die ich in unserer ländlichen Region vergeblich suche. Zudem habe ich die Leipziger Buchmesse immer als regelrechtes Fest empfunden. Ich schätze es sehr, dass sie sich an die „Endverbraucher“, also die eigentlichen Leser, richtet und durch Lesungen, Workshops, Präsentationen und Gespräche einen Erlebnischarakter schaffen kann, den ich so in Frankfurt vergeblich suchte. Doch was bringen mir solche Veranstaltungen, wenn ich aufgrund der Massen nichts sehen oder hören kann? Aber wie du so schön schreibst: Vielleicht/ hoffentlich entspannt sich die Situation vor Ort irgendwann wieder. :)
Liebe Grüße
Kathrin:
PS: Vielleicht solltest du auf einer der Messen mal einen Pimp-My-Book-Workshop anbieten. ;) Dann würde ich auf jeden Fall wieder auf einer Buchmesse aufschlagen. :D
Aus ähnlichen Gründen will ich die Frankfurter Buchmesse wahrscheinlich nur noch an den Fachbesuchertagen besuchen. Samstag ist Mord und Totschlag. Auch wenn ich da noch ein paar Schleichwege und weniger frequentierte Toiletten kenne.
Ich habe es bisher ja leider noch nicht auf eine Buchmesse in Deutschland geschafft, aber wenn ich deine Zeilen so lese, bin ich eigentlich ganz zufrieden, dass ich dank SocialMedia die Buchmesse via Bildern und Live-Übertragungen ganz ruhig von der Lesecouch aus miterleben darf.
Allerdings würde ich vermutlich die Fachbesuchertrage vorziehen als die Tage am Wochenende. Eben aus dem Grund, den du hier beschreibst. Wenn ich eine Buchmesse besuche, dann will ich mich ja hauptsächlich austauschen – mit Verlagsmitarbeitern, Verlegern, Autoren, Buchbloggern. Und mich nicht von Stand zu Stand schieben lassen.
Ich hoffe, deine Kritik wird auch von den Buchmessenveranstaltern gelesen! Denn mehr Besucher bedeuten eben auch, nachzubessern – im Platz, in der Infrastruktur, im gesamten Ablauf.
Nun bin ich fast richtig froh, es dieses Jahr wieder nicht nach Leipzig geschafft zu haben (abgesehen von dem zusätzlichen Chaos durch die Wetterbedingungen). Dann lieber von zu Hause aus die SocialMedia-Kanäle beobachten ;-). Danke für deinen ehrlichen Bericht!
Schade :( Ich kann Deine Gründe schon verstehen, aber hmmmm. Vielleicht schaffen wir es ja außerhalb der Buchmesse mal zu einem Treffen irgendwann.