Penguin gehört mit seiner immensen Buchvielfalt und nicht zuletzt seinen unterschiedlichen Sammler-Kollektionen seit Jahren zu meinen absoluten Lieblingsverlagen. Im Oktober nun erschien anlässlich des 70-jährigen Jubiläums von Penguin Classics die Penguin Orange Collection. Zwölf Klassiker der amerikanischen Literatur erhielten ein frisches Re-Design des bekannten Drei-Streifen-Looks mit wunderbaren Coverillustrationen von Eric Nyquist, French Flaps und einer weichen Oberfläche. Lediglich der raue Buchschnitt passt nicht ganz zu dem ansonsten edlen Design. Doch so schön und wichtig Optik und Haptik sind: Am wichtigsten ist immer noch der Inhalt! Und den haben die Verleger gut ausgewählt: von Solomon Northups aufwühlender Autobiografie „Twelve Years a Slave“ über H. P. Lovecrafts Horrorgeschichten bis hin zu zeitgenössischen Romanen.
Ich selbst habe mir John Steinbecks „East of Eden“, Arthur Millers „The Crucible“ und Shirley Jacksons „We Have Always Lived in the Castle“ gegönnt. Letzteres möchte ich heute lesen und euch daran teilhaben lassen. Der Zeitpunkt für diesen Roman könnte besser nicht sein: Nicht nur passt die düstere Geschichte zum heutigen Halloween, sondern auch die angekündigte Verfilmung des Stoffes macht die Lektüre hochaktuell. Ich bin gespannt, wie mir „We Have Always Lived in the Castle“ gefallen wird – auch, da es meine erste Begegnung mit Shirley Jackson wird.
Update 1 - 12.55 Uhr
Das erste Drittel liegt hinter mir – Zeit für einen kleinen Zwischenbericht (und eine Mittagspause).
Auf den vergangenen 50 Seiten habe ich die Schwestern Mary Katherine, genannt Merricat, und Constance Blackwood sowie ihren Onkel Julian kennengelernt, die zurückgezogen auf dem Familienanwesen außerhalb des Dorfes wohnen. Vor sechs Jahren starben Merricats und Constances Eltern, ihr Bruder und ihre Tante, Julians Frau, an einer Arsenvergiftung. Seitdem meiden die drei fast vollständig den Kontakt zur Außenwelt: Gelegentlich erhalten Sie kurzen Besuch von einer Handvoll alter Freunde der Familie und zweimal wöchentlich begibt sich Merricat in das Dorf, um Lebensmittel zu kaufen und Bücher auszuleihen. Der Gang in das Dorf ist für sie jedes Mal eine Qual, denn die Dorfgemeinschaft ist davon überzeugt, dass Constance die Familie vergiftet hat. Wohin Merricat geht, folgen ihr die missmutigen, urteilenden und zum Teil auch ängstlichen Blicke; Gespräche verstummen oder wandeln sich zu einem lästernden Getuschel – und die vermeintlich harten Kerle des Dorfes drängen sich Merricat durchaus auch schon einmal mit miesen Sprüchen auf. Steif, mit zu Boden gerichtetem Blick absolviert Merricat diese unvermeidbaren Wege, versucht, das Ganze wie ein Spiel zu sehen. Erst wenn Merricat das Tor zum Familiengrundstück hinter sich geschlossen hat, kann sie wieder ungezwungen sein – und blüht dann richtig auf: Die lebendige, gesprächige Merricat wirkt im Vergleich zur verschüchterten Dorf-Gängerin wie ein anderer Mensch. Allzu deutlich wird, welcher Schatten über der Familie liegt, aber vor allem auch, was die Isolation aus Menschen macht. Merricat, die zum Zeitpunkt der Morde gerade einmal zwölf Jahre jung war, ist mit ihren nun 18 Jahren in mancherlei Hinsicht sehr kindlich, träumt davon, auf einem Pegasus davonzufliegen und auf dem Mond zu leben; sie hat sonderbare Eigenarten wie die Abneigung gegenüber ihrer eigenen körperlichen Hygiene oder ihr Hang zu abergläubischen Ritualen. Und wie die Dorfgemeinschaft ist auch Merricat nicht frei von Vorurteilen und denkt bei ihren Gängen in das Dorf immer nur, wer gerade was über sie und ihre Familie denkt oder sagt, unterstellt dabei nahezu allen nur schlechte Absichten.
Shirley Jackson zeigt dabei ganz grandios und äußerst authentisch die unterschiedlichen Wesensarten und Verhaltensweisen, die sich in einer kleinen Dorfgemeinschaft nach einem skandalösen, tragischen Vorfall offenbaren. Die großen Sprücheklopfer, die Mitläufer, die Tratschweiber und die guten, aber schwachen Seelen, die nett sein wollen, aber nicht gegen die Masse ankommen – ihnen allen begegnen wir.
Doch während ihr mir als Leserin von den Dorfbewohnern schnell ein klares, weil bekanntes, Bild machen kann, bleibt die Blackwood-Familie mysteriös. Zwar erhalte ich viele Einblicke in ihren Alltag, ihre Gewohnheiten und Gedanken, werde aber nie den Eindruck los, dass nicht alles ist, wie es scheint. Was die Vergiftung der Familienmitglieder angeht, habe ich schon eine Ahnung, wer dahintersteckt, doch habe ich daran trotzdem Zweifel bzw. möchte ich dies ungern glauben – und falls ich doch richtig liegen sollte, bleibt noch immer die Frage nach dem Warum.
Es ist und bleibt also spannend – und je länger ich in „We Have Always Lived in the Castle“ lese, desto neugieriger werde ich, desto gebannter bin ich von dieser noch etwas in Nebel liegenden Erzählung, die mir Shirley Jackson hier präsentiert. Schon jetzt zeigt sich, dass ihr Roman alles andere als gewöhnlich ist. „We Have Always Lived in the Castle“ ist speziell und ich kann mir gut vorstellen, dass die Lektüre auch die Leserschaft spaltet. Ich selbst bin gerade fasziniert von dieser Geschichte – weniger von der eigentlichen Handlung, als vielmehr davon, wie sie erzählt wird. Ganz subtil entfaltet Shirley Jackson sukzessive die Geheimnisse der Familie Blackwood, führt mich als Leserin dabei auch immer wieder in die Irre, lässt mich an mir selbst und dem Gelesenen zweifeln, lockt mich auf Spuren, die sie dann wieder verwischt und umleitet. Was ist real, was ist nur „Show“ oder gar Einbildung? Eine sehr geniale Erzählweise – ich bin gespannt, wohin mich die Reise mit den Blackwoods noch führen wird …
Update 2 - 16.05 Uhr
Merricats und Constances Cousin Charles stand überraschend vor der Tür und hat es sich häuslich bei seiner Verwandschaft eingerichtet. Zwar kann ich ihn und seine wahren Absichten noch nicht gänzlich fassen, doch klar ist: Nichts ist mehr wie zuvor! Routinen gehen verloren und Constance beginnt, Dinge anders zu sehen, sich selbst anders zu sehen und sich für so ziemlich alles verantwortlich zu fühlen. Nachdem Constance, Merricat und Onkel Julian sechs Jahre allein und isoliert ihre stark geregelten Leben führten, sorgen diese Veränderungen für mächtigen Trubel. Streit und Ärger eskalieren.
Mein Verdacht von heute Vormittag wurde vor den jüngsten Entwicklungen immens bestärkt. Auf den letzten 46 Seiten haben sich etliche Abgründe aufgetan, immer mehr Puzzleteile fügen sich ineinander und ich beginne, eine klarere Vorstellung davon zu bekommen, was den Morden vor sechs Jahren vorausging. Und: Für den weiteren Handlungsverlauf ahne ich Schlimmes …
Update 3 - 18.20 Uhr
Hui, jetzt bin ich ein wenig irritiert und zwiegespalten zurückgelassen worden …
Die ersten Seiten des letzten Drittels waren infernal und gespannt harrte ich dessen, was nun alles kommen würde, welche dramatische Wendung sich wohl letztlich noch auftun würde.
Doch dann fällt alles mehr oder weniger in einen gewohnten Trott zurück und rund 30 Seiten lang wird der neue-alte Alltag mit seinen Skurrilitäten und Banalitäten ausgebreitet, was der bis dahin sehr packenden Geschichte die Kraft und Spannung beraubte. Mich ließ dieses eher langwierige, unspektakuläre Ende leider enttäuscht zurück, weil ich zum Abschluss dieses so clever aufgebauten Romans noch einmal einen richtigen Höhepunkt erwartete, der aber leider nicht kam.
Fazit
Trotz eines für mich eher unbefriedigenden Schlusses habe ich die Lektüre von „We Have Always Lived in the Castle“ sehr genossen; sie entfaltete eine Sogwirkung und war definitiv ein bereicherndes Leseerlebnis. „We Have Always Lived in the Castle“ wird daher nicht meine letzte Begegnung mit Shirley Jackson gewesen sein.
Servus liebe Kathrin,
oh wie cool – Dein neues Design gefällt mir ausgesprochen gut! Hast Du alles selbst im Hintergrund erstellt oder verwendest Du eine Designvorlage? Musstest Du viele Beiträge anpassen oder konntest Du sie formattechnisch so lassen …? Ich finde es schön übersichtlich und modern – GRATULATION, klasse geworden. Hinter so einem „Umbau“ steckt immer wahnsinnig viel Arbeit … ;-) Ich habe bis heute (leider) noch nicht alle Beiträge auf mein Design umformatiert und bin nun auch noch schlimmer Weise am Überlegen, ob ich nochmal umplane ;-)
Liebe Grüße
Kati
ps, habe das Thema Wichteln nicht vergessen …
Liebe Kati,
danke für deine Zeilen! Ich freue mich, dass dir das neue Design so gut gefällt! Für mich ist es gerade wie ein großer, neuer Spielplatz, weil das Theme so unendliche viele Möglichkeiten bietet – bis ich diese alle kenne und ausprobiert habe, dürfte wohl noch einiges an Zeit vergehen. Sicher wird es daher auch in den kommenden Monaten noch ein paar optische Veränderungen geben (ich möchte zum Beispiel gerne mehr Farbe, aber dazu gilt es vorher ein vernünftiges Farbkonzept zu erstellen).
Ich verwende eine Designvorlage, allerdings ist das Theme („Extra“ – mehr hier: https://www.elegantthemes.com/gallery/extra/ ) vollkommen individuell gestaltbar. Im Gegensatz zu den meisten Themes basiert dieses auf einer Art Baustein-System – man kann sich die Startseite, Unterseiten und Artikel aus lauter einzelnen Elementen selbst zusammenbasteln, quasi so ähnlich, wie man es auch von Widgets kennt, nur dass man völlig frei entscheiden kannst, wo und wie groß welches Element sein soll und welche Schriften und Farben zum Einsatz kommen sollen. Diese Möglichkeiten zu haben, ist fantastisch, aber die Umsetzung ist auch nicht ganz einfach – und zeitaufwändig! Mein Freund hatte bereits mit dem Vorgänger dieses Themes gearbeitet und konnte mich daher in die Basics einführen. Allein hätte ich mich wohl nie daran gewagt. Denn abgesehen von den Gestaltungsfreiheiten ist auch das Bloggen ein wenig anders. Das Theme läuft zwar ganz normal über WordPress, hat aber noch einmal ein eigenes System zur Contenterstellung und -verwaltung. Bei der Fehlersuche wird das in Zukunft vermutlich tricky, aber dafür hat man ja Informatiker in seinem Umfeld. ;)
Vor dem Hintergrund kannst du dir sicher bereits denken, dass ich alte Beiträge bislang nicht überarbeitet habe. Die Formatierungen wurden im Großen und Ganzen auch automatisch beibehalten, doch du kennst das: Bei jedem Theme sieht ein Artikel ein wenig anders aus, z.B. weil die Bild-Text-Aufteilung eine andere ist. Bei den aktuellsten Beiträgen habe ich daher ein paar Einstellungen im Zusammenhang mit den Featured Images ändern müssen, aber an ältere Beiträge habe ich mich bisher nicht rangetraut. Die alten Texte werde ich wohl sporadisch bzw. anlassbezogen nachbessern.
Liebe Grüße
Kathrin
Hallo Kathrin,
ich muss ja sagen, dass mir dein neues Design auch sehr gut gefällt!
Penguin hat einfach tolle Klassiker, ich bin ja immer noch mit Daddy long-legs/Dear Enemy am liebäugeln. Das Cover von „We have always lived in the castle“ finde ich voll toll, vor allem wie der Pinguin da eingebunden ist!
Liebe Grüße,
Lena
Hallo Lena,
danke für das Kompliment! Es ist schön zu lesen, dass ich mit dem neuen Theme nicht nur mir selbst einen Gefallen getan habe, sondern es auch bei euch, den Leser(inne)n, Zuspruch findet.
Was Penguin betrifft, gebe ich dir vollkommen Recht! Bei dem Verlag gibt es auch einfach immer wieder so viele Klassiker zu entdecken, die zum Teil nur in ihren Ländern zu Klassikern wurden, aber bei uns unbekannt sind („Daddy Long-Legs“ zählt da ja mit dazu). Nachdem du in den vergangenen Wochen auch immer so viel von „Daddy Long-Legs“ geschwärmt hast, bin ich selbst sehr neugierig auf das Buch geworden – das wäre mir beim normalen Stöbern vermutlich nie passiert.
Hast du bei „Daddy Long-Legs“/ „Dear Enemy“ diese Ausgabe im Kopf: http://www.penguinrandomhouse.com/books/292585/daddy-long-legs-and-dear-enemy-by-jean-webster/9780143039068/ oder doch eine andere?
Der Pinguin wurde in der Orange Collection überall so clever eingebunden. Ein schöner, zusätzlicher Hingucker, wie ich finde. :)
LIebe Grüße und einen wundervollen Dienstag/ Feiertag (sofern bei dir heute auch Feiertag ist)!
Kathrin
Hallo,
bei mir ist leider kein Feiertag (Schleswig-Holstein kennt sowas nicht :D). Allerdings habe ich heute verhältnismäßig wenig Uni (was natürlich nicht daran liegt, dass ich eine Vorlesung schwänze ^^)
Und ja, das ist die Ausgabe, die ich im Blick habe. Mir wäre eine im Stil der Puffin Chalk Ausgaben zwar lieber, aber man kann ja nicht alles haben. Bisher habe ich ja nur das Ebook von Projekt Gutenberg.
Übrigens finde ich es toll, wie viele Leute jetzt neugierig sind auf Daddy long-legs. Aber ich liebe dieses Buch einfach so sehr. Seit ich die CD des Musicals habe höre ich auch fast nur noch die xD Fangirl eben.
Liebe Grüße,
Lena
Hallo Lena,
ja, die Puffin Chalk-Ausgaben sind toll. Aber scheinbar wird die ja nicht weiter ausgebaut. Aber Penguin bringt aktuell so viele Sammlereditionen heraus – vielleicht gibt es irgendwann eine mit „Daddy Long-Legs“?! Ich habe durch dich auf jeden Fall dazu gelernt, denn obwohl ich viel Musical höre/sehe, wusste ich auch nichts von dem Musical zu „Daddy Long-Legs“. Vermutlich ist das einfach einer dieser Klassiker, die nur im englischsprachigen Raum wirklich Bekanntheit errungen haben.
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende!
Kathrin