Eigentlich wollte ich heute für euch zwei Rezensionen schreiben. Eigentlich wollte ich eure Neugier auf Bücher wecken.
Doch eine Radionachricht, die gerade einmal aus einem Satz bestand, hat diese Pläne sofort nebensächlich werden lassen.
Diese Nachricht berichtete vom Tod Henning Mankells. Dem Tod eines der besten Schriftsteller der Gegenwart. Dem Tod eines Autors, der mein Leserleben seit einem Jahrzehnt bedeutend mitprägte. Dem Tod eines Menschen, der in Schweden zur Welt kam und aufwuchs, und der sich in den vergangenen Jahrzehnten stark in Afrika engagierte – „one foot in the sand and one foot in the snow“, wie Mankell sein Leben selbst beschrieb.
Als ich erfuhr, dass Henning Mankell am heutigen 5. Oktober im Alter von 67 Jahren verstarb, war ich gerade im Dienstwagen unterwegs. Und obwohl die Nachricht nach Bekanntwerden seiner Krebserkrankung für mich nicht überraschend kam, hat sie mich doch aus der Bahn geworfen – auch weil sie in mir Erinnerungen an einen ähnlichen Fall in der Familie weckte. Wäre es mir möglich gewesen, hätte ich den Wagen sofort am Straßenrand geparkt, um die Nachricht erst einmal zu realisieren. Oder ich hätte wenigstens gern mit meiner Beifahrerin über die Nachricht gesprochen. Doch wir waren auf einer dicht befahrenen, engen Landstraße unterwegs, die von Gräben begrenzt war, und meine Kollegin ist leider nicht so litaffin – was mir bewusst machte, wie froh ich bin, dass ich in euch eine große literaturbegeisterte Netzgemeinde gefunden habe, mit der ich meine Gedanken teilen kann.
In meiner Leserbiografie hat Mankell in den vergangenen Jahren eine wichtige Rolle gespielt. Ich begegnete ihm erstmals vor rund 10 Jahren im Abi-Jahr, was ich einer damaligen Mitschülerin und Freundin zu verdanken habe, die zu diesem Zeitpunkt Mankells Wallander-Reihe regelrecht verschlungen hatte. Mit Krimis konnte ich zwar schon damals nichts anfangen, doch war ich trotzdem neugierig auf diesen Autor aus Schweden. Irgendwann fiel mir dann „Der Chronist der Winde“ in die Hände und fesselte mich von der ersten Seite an mit seinem atmosphärischen Stil und seiner metaphorischen Kraft. Ein neuer Mankell-Fan war geboren. Im Laufe der letzten Jahre zog ein Mankell-Roman nach dem anderen bei mir ein und so begleitete Mankell mich von der Endphase der Jugend auf dem Weg zum Erwachsensein. In diesen Jahren wurde er zu einem meiner Lieblingsautoren. Durch sein gesellschaftliches und kulturelles Engagement in Mosambik lernte ich ihn zudem auch als Menschen sehr zu schätzen.
2014 gab Henning Mankell seine Erkrankung an Lungenkrebs bekannt. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass diesem großartigen Schriftsteller und Menschen wohl nur noch wenig Zeit auf Erden bleiben wird. Im August 2013 starb meine Oma – die wesentlich zu meiner Bücherliebe beitrug – an Lungenkrebs. Zwischenzeitlich zeigten sich die Ärzte zuversichtlich, dass es ihr nach einer OP oder Chemotherapie besser gehen würde. Doch der Krebs war schneller, hatte gestreut. Aus dieser Erfahrung wusste ich, dass Henning Mankells Chancen auf ein Leben nach dem Lungenkrebs gering ausfielen.
Mankells Kolumnen über seinen Kampf gegen den Krebs, die u. a. im Guardian erschienen, berichteten jedoch viel Positives, machten zuversichtlich, dass seine Erkrankung ein besseres Ende nehmen würde, als es bei meiner Oma der Fall war. Und so freute ich mich, dass Henning Mankells Leben weiterging.
Vergangenen Freitag kaufte ich mir spontan in einer Buchhandlung Mankells neustes Buch „Treibsand“, in dem er sich mit seiner seiner Erkrankung und dem Leben an sich auseinandersetzt. Ich dachte noch: „Entweder ist dies der Schlussstrich unter die Krebserkrankung, der Initialzünder für einen Neubeginn, oder das letzte schriftstellerische Meisterwerk, der Abschied eines der ganz Großen im internationalen Literaturbetrieb.“
Heute hat sich leider offenbart, das „Treibsand“ letzteres war.
Für heute verabschiede ich mich daher aus der Netzwelt und widme mich – erfüllt von einer großen Dankbarkeit für sein literarisches, kulturelles und gesellschaftliches Schaffen – Henning Mankells letzten Worten an die Weltöffentlichkeit.
„Man kann fliegen, ohne sichtbare Flügel zu haben“
aus „Der Chronist der Winde“
Danke für den persönlichen Nachruf!
Aly mit den drei KuhKatzen
Hallo Aly!
Lieben Dank für deinen Kommentar! Ich freu mich, dass dir mein Beitrag gefallen hat. Ein wirklicher Nachruf ist es ja nicht (das können Journalisten dann doch besser) – eher ein kleines Resümee einer Autor-Leser-Beziehung. Aber was es ist, ist ja letztlich auch egal – was zählt ist nur das Gedenken Henning Mankells.
Viele Grüße
Kathrin