Mal ehrlich, jede Frau, die wöchentlich „Sex and the City“ einschaltete, mit Carrie und ihren drei Mädels mitfühlte, hat sich mindestens einmal gefragt, woher diese vier so unterschiedlichen Frauen sich eigentlich kennen. Eine wirkliche Antwort gab´s darauf nie in der Serie, wenn man einmal von einer Rückblende absieht, die Carrie und Samantha zu Collegezeiten auf einer Party zeigte.

Und als im Dezember 2004 die letzte Folge im deutschen TV ausgestrahlt wurde, waren wir Frauen wohl alle ein wenig wehmütig. Zwei Filme und diverse DVD-Neuveröffentlichungen der Staffeln folgten. Doch das reichte uns nicht. Wir wollten mehr. Und Candace Bushnell, Erfinderin der vier New Yorkerinnen, gab uns mehr: Letztes Jahr erschien „The Carrie Diaries“ – ein wunderbarer Roman über Carries letztes Highschooljahr. Als Ich-Erzählerin gewährt Carrie uns Einblicke in all die jugendlichen Ups und Downs: die erste große Liebe, Zickenkriege an der Schule, sexuelle Orientierung, sich verändernde Freundschaften und viele Enttäuschungen. Und auch wenn manches davon vielleicht zu gut ins typisch amerikanische Highschool-Klischee passt und manche Ereignisse fast zu abgedreht scheinen, um wirklich realistisch zu sein – als Beispiel sei hier nur die Reaktion des Vaters von Carries bestem Kumpel Walt genannt, nachdem letzterer sich geoutet hat -, so finden sich unzählige Momente wieder, die zu gut an die eigene Jugend und Schulzeit erinnern. Bushnell potraitiert perfekt und authentisch das Verhalten und die emotionalen Achterbahnen, die wohl jeder von sich oder dem eigenen sozialen Umfeld kennt: das ungeduldige Warten auf den Anruf nach dem ersten Date und die gut gemeinten „er hatte sicher noch keine Zeit oder ist krank“-Trostsätze der Freunde, die man selbst dann hören will, wenn man es besser weiß; das ständige Vergeben und Glorifizieren des Angebeteten selbst dann, wenn dieser sich wie das größte Arschloch verhalten hat; der viel zu nette Junge, der einem die Welt zu Füßen legt und der perfekte Freund wäre, aber zu dem man sich aus unerfindlichen Gründen nicht hingezogen fühlt; das sinnlose Cliquenverhalten; die Enttäuschung über jahrzehntelange beste Freundinnen, die einem plötzlich belügen und betrügen … Ja, alles, was Carrie erlebt, kommt den Lesern nur allzu bekannt und vertraut vor und sorgt dafür, dass man wirklich in jedem Moment mit ihr fühlt und sie versteht, auch wenn das Verhalten alles andere als logisch ist, denn mal ehrlich: Wer von uns handelte in seiner Teenagerzeit immer logisch?

Auf diese glaubhafte Weise ist Bushnells Geschichte einfach nur liebenswert – und noch dazu mit genügend amüsanten Stellen und abwechslungsreichen Charakteren gespickt. Der Leser erfährt alles über Carries Familie und Freunde. Doch von den anderen drei SATC-Ladies fehlt noch jede Spur. Obwohl … nicht ganz, denn das Buch endet mit dem entscheidenden Moment, in dem Carrie Samantha kennenlernt – und von dem an ihr Leben sich gewaltig ändern wird. Doch woher Carrie und Samantha sich kennen, sei an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: Es ergibt sich durch eine Person, von der man im Buch am wenigsten gedacht hätte, dass sie solch einen entscheidenden Einfluss auf Carries Zukunft haben würde.

Natürlich kommt auch Carries Leidenschaft fürs Schreiben nicht zu kurz. In kleinen, kaum merklichen Schritten verändern sich Carrie und ihr Schreibstil. Erkennt man zu Beginn des Buches noch nicht die aus „Sex and the City“ vertraute Carrie wieder, so sieht man ihr während des Verlaufs der Geschichte regelrecht zu, wie sie sich zu der humorvollen und romantischen Frau entwickelt, wie die Zuschauer sie kennen und lieben. Gleiches gilt für ihr Autorinnendasein: Liest man die Titel und Inhaltsbeschreibungen ihrer ersten Geschichten, fragt man sich doch etwas, wie aus ihr eine so erfolgreiche Kolumnistin werden konnte. Doch dank des Ausprobierens eines neuen Stils und George, der einzigen Person, die wirklich an Carries Talent und ihren Traum vom Schreiben glaubt, schafft Carrie die künstlerische Weiterentwicklung – und den Sprung nach New York City.

„The Carrie Diaries“ ist durch und durch stimmig. Es gibt keine Längen oder Ungereimheiten, keine wirklichen Kritikpunkte. Das einzig schade ist, dass Candace Bushnell nicht auf den Abschlussball eingeht, was nach den vielen Ereignissen sicherlich interessant gewesen wäre – ganz zu schweigen davon, dass die amerikanischen Highschool-Bälle sowieso immer ein großes Thema sind. Doch hier muss der Leser auf die eigene Fantasie zurückgreifen, was aufgrund der guten Identifikation mit Carries Lebenswelt und der Reflexion der eigenen Schulzeit jedoch nicht allzu schwierig sein sollte.

Fazit:

Candace Bushnell ist mit „The Carrie Diaries“ eine Geschichte gelungen, die so liebenswert ist und den Leser an die eigenen Schul- und Jugenderlebnisse erinnert – selbst an die schlechten, über deren Unsinnigkeit und überemotionale Reaktionen man nun im Nachhinein schmunzeln muss. Bushnell katapultiert den Leser zurück und erwärmt damit das Leserherz. Sie bringt zum Lachen und lässt den Leser ebenso mitfiebern. Eine Identifizierung mit Carrie und ihren Problemen ist in jeder Situation aufs Beste möglich. „The  Carrie Diaries“ ist damit nicht nur ein Buch für jeden „Sex and the City“-Fan, sondern für jeden, der einmal jung war und all die Hochs und Tiefs der Teenagerzeit mitgemacht hat. Eine kleine Hommage an die Schulzeit, die man während der Jugend oft so furchtbar fand und die nun im Nachhinein betrachtet doch eigentlich so wunderbar und einmalig war.

Als Leser(in) will man einfach nur mehr davon – und bekommt es auch: Seit wenigen Tagen in Bushnells neustem Buch „Summer and the City“, der Carries erste Zeit in New York City und das Zusammentreffen der vier Mädels schildert. Ein absolutes Must-Read!