George Orwells Bücher gehören zu jenen Werken, auf die in Kunst, Kultur und Journalismus immer wieder gern Bezug genommen wird – und die durch ihre Gesellschafts- und Politikkritik gerne auch als Schullektüre genutzt und in ausführlichen Interpretationen auseinandergepflückt werden. Letzteres blieb mir glücklicherweise erspart und so konnte ich Orwells „Animal Farm“ nun regelrecht genießen.
Zugegeben, ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder überlegt, ob ich überhaupt etwas von Orwell lesen soll, da ich fürchtete, dass all die Preisungen übertrieben sein könnten oder Orwells Erzählungen vielleicht zu sehr mit dem (symbolisch) erhobenen Zeigefinger daher kommen. Als ich „Animal Farm“ aber neulich in der Buchhandlung sah – mit seinem wunderbaren, sofort ins Auge stechenden Cover, unter dessen sattem Rot Auszüge aus Zeitungen hindurchscheinen – griff ich spontan zu und begann Zuhause direkt mit dem Lesen. Tja, was soll ich sagen: Die Befürchtungen waren vollkommen unbegründet und ich habe die Lektüre geliebt!
“ ‚Man is the only creature that consumes without producing. He does not give milk, he does not lay eggs, he is too weak to pull the plough, he cannot run fast enough to catch rabbits. Yet he is lord of all the animals.‘ “
(George Orwell: „Animal Farm“, Penguin Books 2008, S. 4)
Wie Orwell die Entwicklung auf der Manor Farm beschreibt, auf der Tiere die Menschen vertreiben und sich fortan selbst organisieren, ist unbeschreiblich glaubhaft und lebendig dargestellt; jede Wortwahl, jeder Charakterzug, jede Entscheidung so wahrhaftig und nachvollziehbar. Besonders die Propaganda der Schweine, allen voran die des alten Major, hat Orwell perfekt formuliert: Immer wieder stieß ich auf Formulierungen und Strategien, die damals wie heute Standard in der politischen Propaganda sind und die sich auch in den Texten der terroristischen Gruppen finden, mit denen ich mich im Rahmen des Studiums auseinandersetzte. Da ist das Versprechen einer perfekten Zukunft, Schwarz-Weiß-Malerei, die alleinige Schuldzuweisung an „die Anderen“, sprich dem erklärten Feind, oder auch die Kompromisslosigkeit hinsichtlich der vorgestellten Zukunft. Dies zeigt zugleich die Zeitlosigkeit von „Animal Farm“: Obwohl das Märchen – denn als solches hat sich George Orwell „Animal Farm“ gedacht – die Geschichte der Sowjetunion widerspiegelt, sind die Entwicklungen und Wesenszüge doch von einer hohen Allgemeingültigkeit und so ist dem Leser etliches auch aus der heutigen Politik diverser Staaten bekannt. Während der Lektüre war ich daher stets hin und hergerissen zwischen amüsiertem Lachen, kopfschüttelnder Fassungslosigkeit und der Erkenntnis der Wahrhaftigkeit des Geschilderten. Im ersten Moment scheint die Naivität und Leichtgläubigkeit der Tiere stets lustig, bis unmittelbar darauf bewusst wird, dass diese Denk- und Verhaltensweisen keineswegs reine Fiktion sind, sondern man diese auch heute noch viel zu oft vorfindet. So wundert den Leser auch nicht die weitere Entwicklung der Geschichte: Die Schweine übernehmen zunehmend die Herrschaft über die anderen Tiere, brechen die eigens aufgestellten Regeln, passen diese in Folge dessen ihrem Gutdünken an, tischen den anderen Tieren auf der Farm ständig neue Lügen auf und verhalten sich zunehmend wie die Menschen, die sie so verachteten. Die anderen Tiere sind zu blind, dies zu erkennen – und in Momenten, in denen ein Widerstand zu entstehen scheint, wird jeder Gedanke, der den Schweinen zuwider ist, sofort im Keim erstickt. Logisch, dass es unter solchen Umständen kein gutes Ende für die Tiere der Manor Farm, respektive Animal Farm, geben kann – auch wenn die Geschichte ein Märchen ist und in Märchen zumeist das Gute siegt.
Fazit:
George Orwells „Animal Farm“ ist ein erschreckend gut getroffenes, zeitloses Gesellschaftsportrait, das wirklich in jede Hausbibliothek gehört!
„All animals are equal
But some animals are more equal than others.“
(George Orwell: „Animal Farm“, Penguin Books 2008, S. 90)
Du stellst sehr schön dar, was Orwell mit den Vorgängen auf der Farm tatsächlich ausdrückt. Ich habe als Kind sehr oft den Zeichentrickfilm „Aufstand der Tiere“ gesehen, der auf Orwells Roman basiert, und damals natürlich noch nicht ganz verstanden, dass und inwiefern sich das Leben auf der Farm auf die Gesellschaft übertragen lässt. Deswegen steht Animal Farm schon lange auf meiner Leseliste :)
Danke für das Kompliment! Den Trickfilm habe ich nach Lektüre des Buches auf Empfehlung einer Freundin gesehen und war positiv überrascht, da dieser auch für ein erwachsenes Publikum gut gemacht ist. Der Film ist zudem sehr nah am Buch,auch wenn es natürlich ein paar Unterschiede gibt (z.B. beim Ende).
Das Buch ist allerdings noch viel eindrucksvoller und ich kann es dir daher nur ans Herz legen. Ich kann mir gut vorstellen, dass es auch deinen Geschmack treffen wird!
Ich bin ein wenig überrascht: Bis vor kurzem dachte ich, dass ich eher eine Ausnahme bin, da ich „Animal Farm“ noch nicht gelesen hatte. Interessant, dass ich doch nicht solch eine Ausnahme bin :) Im Übrigen bin ich aber froh, dass ich das Buch erst jetzt gelesen habe – als Jugendliche hätte ich das Verständnis oder Gefühl für alles, was hinter der Geschichte steht, wohl nicht gehabt.
Freut mich, dass dir Buch und Film gefallen haben :-) Ich bin immernoch zwischen zwei Büchern (LTV und Catcher in the Rye), arbeite aber dran, dass es bald nur noch ein Buch ist. Wenn ich dann irgendwann mal mehr Zeit habe, würde ich auch gern in die sprachliche Welt von George Orwell eintauchen :-)
Ja, der Film war besser als erwartet. Das Cover war in so leuchtenden Farben gehalten und hat mich daher zunächst skeptisch gemacht. Der Film war dann jedoch zum Glück düsterer, was selbstverständlich besser zur Geschichte passt. Mir gefiel auch, dass es recht wenig Dialoge gab. Schade fand ich nur, dass sie die Figur des Esels Benjamin sehr verändert haben (er hat im Film Eigenschaften und tut Dinge, die im Buch zu einem Pferd gehören; im Buch hat der Esel zudem eine ganz andere Bedeutung und lässt sich nicht so mitreißen wie im Film). Ansonsten ist der Trickfilm aber wirklich gut umgesetzt :)
„Animal Farm“ ist übrigens schnell durchgelesen (meine Ausgabe hat nur rund 90 Seiten) – das kann man super auch mal dazwischenschieben, wenn man auf das eigentlich zu lesende Buch gerade weniger Lust hat. ;) Mit zwei Büchern parallel bist du ja noch vorbildlich: Ich habe derzeit drei angefangene Bücher und bis gestern hatte ich auch noch zwei Hörbücher nebenbei (eins beim Autofahren, eins abends vorm Schlafengehen). Aber ich versteh dich: Man bekommt dann leicht ein schlechtes Gewissen, weil man ewig keines der Bücher beendet.
Ja das stimmt. Aber ich bin ja mit dem einen Buch fast durch und dann folgt die Rezension. Weitere Q&A’s sind übrigens auch in Arbeit :-) und dann kann ich mich erstmal ganz auf J.D. Salinger konzentrieren, wobei ich zugeben muss, dass es mich zu anfang noch nicht so begeistert… mal sehen, ob sich das ändert. Apropos Hörbücher: ich hab hier auch noch 2 rumliegen, die ich unbedingt mal angehen muss, aber ich finde, bei Hörbüchern muss man sich doppelt konzentrieren und braucht Ruhe, um folgen zu können (auch wenn man den Inhalt schon kennt). Nebenbei hören ginge glaub ich bei mir nicht… na mal schauen…