Wohl jeder kennt sie, die Geschichte des letzten Einhorns: Die Einhorndame, die ihren Wald verlässt, um sich auf die Suche nach ihren Artgenossen zu machen, wobei sie in der Räubersfrau Molly Grue und dem Zauberer Schmendrick Verbündete findet, später als Schutz vor dem roten Stier in eine Menschenfrau verzaubert wird und als einziges Einhorn, das je geliebt hat, in die Geschichte eingeht.
Die Filmversion aus dem Jahr 1982 avancierte zu einem Klassiker; die Romanvorlage von Peter S. Beagle haben aber vermutlich nur wenige gelesen. Zugegeben: Die Leinwandadaption ist grandios gelungen und so nah am Original wie nur wenige Literaturverfilmungen – nicht zuletzt, da Beagle selbst das Drehbuch schrieb. Doch die ursprüngliche Geschichte von 1968 sollte jeder Liebhaber des Films ebenfalls kennen, da sie noch etliche zusätzliche Ereignisse bereit hält und mehr über Schmendrick, Molly, König Haggard und Prinz Lír verrät.
Wer beides schon kennt oder beim Lesen nicht auf die Optik verzichten möchte, für den gibt es „Das letzte Einhorn“ inzwischen auch als Comic: 2010 adaptierte Peter B. Gillis die Geschichte. Gillis hielt sich in der Handlung stark an Beagles Roman. Im Gegensatz zum Film erzählt die Graphic Novel dadurch auch den Aufenthalt von Schmendrick, Molly und dem Einhorn in Hagsgate, geht auf die Herkunft von Lír ein, berücksichtigt Schmendricks Vergangenheit und erklärt den Fluch, der über Haggards Land liegt. In den USA erschien die grafische Erzählung zunächst als 6-teiliger Comic; seit 2011 ist sie als gebündelter Einzelband auch in Deutschland erhältlich.
Zur optischen Umsetzung sei zunächst gesagt, dass Cover und Artwork der eigentlichen Geschichte von unterschiedlichen Künstlern stammen: Das Titelbild kreierte Frank Stockton, während die Illustrationen innerhalb der Graphic Novel aus der Feder von Renae De Liz stammen und von Ray Dillon ihre intensiven Farben erhielten. Warum Stocktons Bild als Covermotiv gewählt wurde, ist fraglich – die US-Exemplare basieren jedenfalls ausschließlich auf den Bildern von De Liz und Dillon. Auf eine Realisierung im klassischen Comicstrip-Stil wurde dabei verzichtet: Die Bilder variieren in Größe und Format oder überlagern sich gelegentlich, was für eine sehr abwechslungsreiche Optik sorgt.
Die Zeichnungen orientieren sich zum Teil am Stil des Films – vor allem das Einhorn, Molly und Schmendrick weisen eine große Ähnlichkeit mit den Zeichentrickfiguren auf. Gleichzeitig haben die beiden US-Künstler (die im Übrigen auch miteinander verheiratet sind) einen eigenen Stil gefunden. Der rote Stier wirkt etwas bedrohlicher, Mommy Fortuna noch hässlicher. Besonders beeindruckt die Graphic Novel jedoch durch die gekonnt gewählten Bildausschnitte und Perspektiven sowie den Einsatz der Farben. Ray Dillon hat dabei die ganze Farbpalette ausgenutzt: Der Wald des Einhorns blüht in märchenhaften Pastelltönen, eingetaucht in warmes Licht, während Haggards Reich und Mommy Fortunas Mitternachtskarneval in eine bedrohlich dunkle Atmosphäre eingehüllt sind. Auch für die unterschiedlichen Jahreszeiten fand das Künstlerehepaar gestalterische Unterschiede, wobei sie vor allem die Lichtverhältnisse im Jahresverlauf in Szene setzten.
Fazit:
Die Comicversion von Peter S. Beagles „Das letzte Einhorn“ stellt eine wundervolle Ergänzung zum Film dar, ohne jedoch ein Ersatz für die Romanvorlage zu werden – auf diese Weise bieten alle drei Erzählformen ihre ganz eigenen Vorteile und setzen unterschiedliche Schwerpunkte. Die Graphic Novel ist dabei nicht nur optisch gut umgesetzt, wie auch Peter S. Beagle selbst im Vorwort feststellt. Allen Liebhabern der Geschichte sei die Comicadaption dieses Klassikers daher ans Herz gelegt.
Den Film kenne ich aus Kindertagen, habe ihn seitdem aber nie wieder gesehen. Schade eigentlich.
Auch wenn das, was Du über das Comic schreibst, sehr ansprechend klingt, werde ich mich im Zweifelsfall wohl an das Buch halten. Das Comic käme für mich nur dann in Frage, wenn Film und Buch einfach nicht ausreichen, was bei einer so magischen Geschichte natürlich durchaus vorkommen kann.
LG, Katarina :)
Das Buch kann ich dir nur empfehlen, da Beagle einen wunderbaren Schreibstil hat. Das Buch richtet sich meiner Meinung nach auch stärker an ein älteres Publikum als die Verfilmung. Und so sehr ich den Film liebe, bin ich doch froh, inzwischen alle Hintergründe zu kennen, beispielsweise die Vorgeschichte des Zauberers, der eigentlich gar nicht so jung ist oder die Gedankengänge des Einhorns während des Daseins als Mensch. Beim Comic spielte für mich dagegen auch der Nostalgiefaktor eine Rolle – als Brücke zwischen dem eher für Kinder gestalteten Trickfilm und der poetischen Erzählweise des Buches :)
Klingt toll! Jetzt habe ich Lust sowohl Bücher als auch die Graphic Novel zu lesen :)
Freut mich, dass ich deine Neugier geweckt habt! Wie schon an anderer Stelle gesagt: Den zweiten Teil aus Beagles Feder fand ich nicht so bombastisch, aber den ersten Teil sollte man wirklich einmal gelesen haben, allein um den Film auch noch einmal mit einem anderen Hintergrundwissen zu betrachten. Und die Graphic Novel ist gerade für die, die mit dem Film aufgewachsen sind (so wie du und ich) eine etwas erwachsenere Darstellung der Geschichte. Ich bin gespannt, wie dein Urteil ausfallen wird, sobald du dich dem Roman oder der Graphic Novel gewidmet hast ;)