Auf Grund der unzähligen Bitten kleiner Kinder verfasste L. Frank Baum mit „The Marvelous Land of Oz“ (dt. Titel: „Im Reich des Zauberers Oz“) eine Fortsetzung zu seiner Erfolgsgeschichte „The Wonderful Wizard of Oz“. Der zweite Band des Oz-Zyklus dreht sich um den Blechmann, die Vogelscheuche, den Jungen Tip, den lebendigen, pferdähnlichen Sägebock, einen kürbisköpfigen Holzmann Jack Pumpkinhead sowie den stark vergrößerten und hochgebildeten Woggle-Bug (im Deutschen als „Quasselkäfer“ betitelt). Gemeinsam wollen die sechs ungleichen Gefährten die Smaragdenstadt von General Jinjur und ihrer Mädchenarmee befreien. In der Geschichte geht es nicht gerade harmlos und gewaltarm zu. Zwar köpfte der Blechmann (der im Übrigen Nick Chopper heißt) mit seiner Axt schon im ersten Band ohne zu Zögern, aber in „The Marvelous Land of Oz“ geht es noch etwas unharmonischer zu. Daneben gibt es zwar ein Wiedersehen mit bekannten Figuren, allerdings haben sich der Blechmann und die Vogelscheuche sehr verändert. Sie bilden sich viel auf ihr Herz und ihren Verstand ein und wirken längst nicht so sympathisch wie in ihrem Abenteuer mit Dorothy. Der Blechmann ist extrem auf sein Äußeres fixiert und als die Smaragdenstadt von der Armee bedroht wird, spielt die regierende Vogelscheuche einfach weiter, anstatt das Volk und die Stadt zu schützen. Die anderen Helden sind nicht besser: Jack, das Sägeblockpferd und der Woggle-Bug zicken sich immer wieder an, wohingegen Tip ihnen gelegentlich befiehlt, was sie zu tun oder zu lassen haben. Hinzu kommt die permanente Furcht Jacks, dass seinem Kürbiskopf etwas geschehen könnte. Ein Running-Gag ist an sich nicht verkehrt, doch wenn Jack gefühlt aller drei Seiten fragt, ob dieses oder jenes seinem Kopf schaden könne, fängt dies sehr schnell an zu nerven. Sympathische Protagonisten, die ich ins Herz schließen könnte, finden sich in „The Marvelous Land of Oz“ wahrlich nicht – von Glinda einmal abgesehen.
Auch sonst fehlt dem zweiten Band der Oz-Serie das Flair und die Magie des ersten Bandes. Die Geschichte ist weniger von der kindlichen Unschuld und Naivität geprägt, zeigt die Welt von Oz nicht mehr als so berauschend dar und der simple Schreibstil, der für „The Wonderful Wizard of Oz“ so typisch war, fehlt.
Daneben gibt es einige Continuityfehler zum ersten Band. So wird behauptet, dass der König Pastoria über die Smaragdenstadt regierte, bis der Zauberer von Oz widerrechtlich den Thron bestieg. Im ersten Band behauptete Autor L. Frank Baum jedoch, dass der Zauberer die Stadt errichten ließ. Auch soll er dem zweiten Band nach tatsächlich über magische Kräfte verfügt haben. Solche Fehler sind akzeptabel, wenn Fortsetzungen und Prequels von einem anderen Autor stammen – aber nicht innerhalb einer Serie ein und desselben Schriftstellers, nur damit dieser es leichter hat, seine Geschichte fortzusetzen.
Einzige Pluspunkte liegen in dem unerwarteten Ende sowie darin, dass es einige clevere Aussagen gibt und Andersartigkeit als etwas Fabelhaftes betrachtet wird. Ansonsten war die Rückkehr nach Oz für mich jedoch eine herbe Enttäuschung und es ist zu hoffen, dass Baums weitere Bände besser gelungen sind.
“ ‚[…] I am convinced that the only people worthy of consideration in this world are the unusual ones. For the common folks are like the leaves of a tree, and live and die unnoticed.‘ ”
(L. Frank Baum: “The Marvelous Land of Oz” In: ”The Complete Wizard of Oz”, Bedford Park Books 2010, Kindle E-Book Location 5272)
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