Und wieder ein Lacombe-Buch … Mag sein, dass einige von euch dem Ganzen inzwischen überdrüssig sind, aber ich bin es noch lange nicht – im Gegenteil: Mit jedem weiteren Bild, jedem neuen Buch verliebe ich mich mehr in Lacombes Kunst. So ging es mir auch bei der kleinen Lisbeth. Anfangs wusste ich nicht, ob mir die Geschichte überhaupt gefallen könnte und habe mir das von Benjamin Lacombe und Sébastien Perez geschriebene Werk nicht geholt. Doch dann kamen die Buchmesse und der süchtig machende Jacoby & Stuart Verlag, bei dem ich den aus zwei Büchern bestehenden Schuber in seiner ganzen Pracht bewundern konnte. Geldmangel hin und her – ich musste es haben. Am Wochenende ging es nun an „Lisbeth, die kleine Hexe“ und den „Hexenalmanach“. Das Leseerlebnis war zwar nicht lang, aber dennoch ebenso schön wie bei einem 500-seitigen Roman. In der Geschichte von Lisbeth gelingt es den beiden Autoren trotz des geringen Textumfangs sehr liebenswerte und authentische, individuelle Charaktere zu schaffen; Lacombes Zeichnungen entführen dabei noch stärker in die Geschichte und am Ende ist man traurig, dass es nicht weitergeht mit Lisbeth, Edward und dem Hexenerbe. Lacombes Bilder kommen im altbewährten Stil daher, wenn auch farbenfroher als gewöhnlich. Dabei hat der Künstler Perspektiven und Bildausschnitte gewählt, wie man sie sonst nur aus Film und Fernsehen kennt: Man beobachtet – ganz wie ein geheimer Gast – Lisbeth und ihre Oma beim Gespräch oder sieht sie aus Vogelperspektive – umringt von lauter Raben – im Schnee entlanglaufen. Auch lohnt sich oft ein zweiter, dritter oder gar vierter Blick, denn nicht selten sind die Bilder regelrechte Suchspiele, so viel Liebe zum Detail steckt in jedem einzelnen: In einer im Schatten liegenden Ecke des Dachbodens, an einer Stelle, an die sich das Auge normalerweise kaum verirren würde, versteckt sich trocknendes Getreide; als Lisbeth ihren Kater vom Dach locken möchte, sind beide winzig klein zu sehen – umgeben von den unzähligen Dächern der Stadt, auf denen sich Vögel chamäleonartige Versteckspiele mit dem Betrachter leisten.



Während „Lisbeth, die kleine Hexe“ eine Geschichte ist, handelt es sich bei dem mit gold verzierten „Hexenalmanach“ um ebenjenes Buch, dass Lisbeth auf dem Dachboden ihrer Großmutter entdeckt: Die Geschichte ihres Hexenerbes enthält Lisbeths magischen Stammbaum, der teils aus fiktiven Figuren, teils aus Personen der Zeitgeschichte, Märchen und Mythologien besteht. Man trifft auf Adams erste Frau, Isis, die Medusa, Jeanne d’Arc, die Hexe aus Hänsel und Gretel und auf Lisbeths Oma, die schuld am Untergang der Titanic war. Legenden, Fakten und Fiktion treffen hier aufeinander – und immer wirkt es glaubhaft, denn neben Zeichnungen hat Lacombe auch Fotos, historische Bildquellen und mehr verwendet. Um das alles perfekt abzurunden erscheint das Papier im Pergament-Look.

 

Was ich an Benjamin Lacombes Kunst liebe, sind die vielen roten Fäden, die sich durch seine Werke ziehen: So schmuggelt sich sein Hund regelmäßig ins Bild hinein, Raben und schwarze Katzen sind Teil fast jedes Buches und auch Schneewittchens Geschichte  wird im „Hexenalmanach“ wieder aufgegriffen.

„Einfach schöne Bücher“ ist das Motto des Berliner Verlags „Jacoby & Stuart“ – das beweisen sie mit Benjamin Lacombes Büchern stets aufs Neue und ich bin froh, diese literarische Schatzkiste entdeckt zu haben. Goldverzierungen, satte Farben, hochwertiges Papier. Dass Lacombes Bücher meist recht kurz  sind, stört da nicht weiter, denn auch wenn es eine schnelle Lektüre ist, ist sie doch nichts für zwischendurch: Ich jedenfalls könnte die Bilder täglich aufs Neue stundenlang bestaunen. Davon abgesehen, machen sich so hochwertig aufgemachte Exemplare wie „Lisbeth und das Erbe der Hexen“ einfach traumhaft im Regal.