In ihrem Debütroman „Die Frauen von Savannah“ schildert Beth Hoffman den Sommer, der das Leben der 12-jährigen Cecelia Rose Honeycutt, von allen nur CeeCee genannt, für immer verändern sollte und dem Mädchen die Schönheit des Lebens wieder vor Augen führt. Denn die ersten zwölf Lebensjahre des Mädchens sind alles andere als das gewesen, was man unter einer glücklichen Kindheit versteht: Ihre Mutter leidet seit Jahren an einer Psychose und lebt in ihrer ganz eigenen Welt, in einer Vergangenheit, in der sie Zwiebelkönigin und glücklich war; der Vater kommt mit dieser Situation nicht klar, stürzt sich in berufliche Reisen und eine Affäre und lässt Frau und Tochter daheim im Stich. Statt von ihren Eltern umsorgt zu werden, übernimmt CeeCee nicht selten die häuslichen Pflichten, wird durch die regelmäßigen Aussetzer und einhergehenden Peinlichkeiten der Mutter zum Gespött der Stadt – ihre einzigen Freunde sind die Bücher, die sie sich regelmäßig kauft und ausleiht, und ihre Nachbarin, die alte Mrs. Odell. CeeCee hegt Groll gegen ihren Vater, ihre Mutter, ihre Mitschüler und die ganze Welt. Erfüllt von Zorn bringt sie keinerlei Verständnis für ihre psychisch kranke Mutter oder den sich hilflos fühlenden Vater auf, sondern wünscht ihrer Mutter in ihrer Verzweiflung den Tod. Bald darauf kommt ihre Mutter bei einem Unfall ums Leben. Fortan nimmt sich Großtante Tootie, die CeeCee noch nie in ihrem Leben gesehen hat, des Mädchens an und die Zwölfjährige zieht vom nördlichen Ohio ins südliche Savannah im Bundesstaat Georgia. In Tante Tooties riesigem Haus wird CeeCee voller Liebe und Wärme empfangen und verwöhnt und zwischen ihr und der afroamerikanischen Köchin Oletta entwickelt sich eine enge Freundschaft. Am Ende des Sommers hat CeeCee schließlich alles, was sie sich je erträumt hat: Freunde, Familie, Geborgenheit, ein liebevolles Zuhause. Und auch ihrer verstorbenen Mutter kann das Mädchen zu guter Letzt vergeben.
Beth Hoffmans Roman verspricht auf den ersten Blick eine Geschichte, die das Herz des Leser erwärmt und ihn in den wunderbaren Süden der USA entführt – mit leckerem Essen, sonnigem Wetter, viel Grün, Kleinstadtidylle und Gastfreundschaft. Nebenbei werden noch Rassismus und eine unglückliche Kindheit thematisiert. Man erhofft sich ein Buch mit einer Geschichte, Atmosphäre und Wirkung wie in Sue Monk Kidds „Die Bienenhüterin“. Doch entpuppt sich „Die Frauen von Savannah“ als seichte, vorsichtige Modifikation dessen. Alles im Roman wird nur oberflächlich behandelt und Hoffman gelingt es nicht, eine tiefere Ebene zu erreichen. Außer Oletta, CeeCee und dem leider etwas zu kurz kommenden Vater bleiben die einzelnen Charaktere blass und zeigen nur die immer gleichen Seiten. Wirklich einlassen kann der Leser sich daher nicht auf sie. So bleibt unbekannt, welche Meinungen sie vertreten, was sie zu dem machte, der sie sind und warum sie handeln, wie sie handeln. Was für die Figuren gilt, lässt sich auch auf die Handlung übertragen: Viele Themen und Geschehnisse, wie bspw. die Ereignisse um Martin Luther King oder der Überfall auf CeeCee, Oletta und ihre beiden Freundinnen während eines Strandausflugs, sind für einen kurzen Augenblick Bestandteil des Buches, sind für den Leser aber von keiner großen Bedeutung und werden im weiteren Verlauf des Buches nicht mehr aufgegriffen. Stattdessen konzentriert sich Hoffman darauf, dem Leser das Südstaatenleben schmackhaft zu machen. Jedoch geschieht dies auf eine so banale und aufdringliche Weise, dass es unauthentisch wirkt. So werden etliche Klischees bedient und alle sind immer gut gelaunt und nett – diese permanente und überschwängliche Fröhlichkeit und Gastfreundschaft wirkt nicht selten aufgesetzt. So verstehen sich alle ganz wunderbar, jedes Problem löst sich schnell und leicht in Wohlgefallen auf und natürlich ist das einstige Aschenputtel CeeCee in ihrem neuen Zuhause in Savannah Everybody’s Darling. Selbst Menschen, denen sie nur einmal für fünf Minuten begegnete, haben sie immer gleich vollends in ihr Herz geschlossen und halten sie für etwas ganz Besonderes. Gerade als Leser kann man diese überschwängliche Begeisterung nicht immer ganz nachvollziehen, denn CeeCee ist alles andere als „pflegeleicht“ oder nachvollziehbar: Sie ist ein sehr launisches Mädchen, dass im Minutentakt zwischen Verbitterung und Rosaroter-Brille wechselt. In einem Moment hasst sie ihr Leben und die ganze Welt, badet in Selbstmitleid und bedauert ihr angeblich so armseliges Dasein, ohne zu sehen, was sie eigentlich alles Positives hat. Etwas später am Tag ist sie plötzlich die Glückseligkeit in Person, betont immer wieder, wie perfekt ihr neues Leben doch ist und kann kaum fassen, wie gut es ihr geht. Diese Stimmungsschwankungen sind immer so extrem, dass sie schon bald berechenbar und nervig sind. Hinzu kommt diese Wut, die CeeCee ihren Eltern gegenüber empfindet und die schon fast in Hass ausartet. Es mangelt ihr an jeglichem Empathievermögen, sodass sie nicht einmal versucht, ihren Vater zu verstehen oder zu realisieren, dass ihre Mutter nichts für ihr Verhalten kann. CeeCee ist sich zwar bewusst, dass ihre Mutter krank ist und natürlich ist nachvollziehbar, wie sehr das Mädchen unter allem leidet, was diese Krankheit verursacht, doch ist sie letzten Endes nicht besser als jene Menschen, die CeeCee selbst und ihre Mutter belächeln und verachten. Das macht das Mädchen nicht gerade zu einer Protagonistin, mit der man sich gerne identifizieren möchte.
Es ist schade, dass „Die Frauen von Savannah“ so viele Schwachstellen aufweist, hätte Beth Hoffman doch so viel aus diesem Stoff und den Figuren herausholen können. Die einzelnen – meist nur kurz aufgegriffenen – Themen wie Rassismus, Psychose oder die schwere Kindheit bergen so viel Potenzial, das jedoch leider nicht ausgeschöpft wurde. So bleibt der Roman trotz seiner guten Idee und Potenziale nur eine seichte, angenehme Lektüre, die den Leser nicht sonderlich fordert oder bewegt.
Lobenswert ist zumindest das Cover der deutschen Ausgabe sowie die Einhaltung des sprachlichen Ausdrucks in der deutschen Übersetzung. Denn im Gegensatz zu „Gute Geister“, der deutschen Ausgabe von Kathryn Stocketts „The Help“, wurden in „Die Frauen von Savannah“ Dialekte eingehalten. Der Südstaatenslang wurde glücklicherweise nicht in korrektes Hochdeutsch übersetzt. Als im Norden aufgewachsenes Kind spricht CeeCee diesen Slang nicht und drückt sich sprachlich immer richtig aus. Nur ein einziges Mal ist hier ein stilistischer Fehler: Einmal verwendet die sonst grammatikalisch immer korrekte CeeCee, die auch als Erzähler der Geschichte fungiert, nämlich den inkorrekten Ausdruck „als wie“, was überhaupt nicht zu ihrer sonstigen Ausdrucksweise passt und auch nicht als stilistisches Mittel eingesetzt wurde, sondern als eindeutiger Fehler der Autorin oder Übersetzerin erkennbar ist. Nun ist das kein Drama und tut der Lektüre keinen Abbruch, jedoch sollten so offensichtliche grammatikalische Fehltritte von Personen, die mir dem Schreiben ihr Geld verdienen, vermieden werden können.
Fazit:
„Die Frauen von Savannah“ ist eine angenehme, nette und unterhaltsame Lektüre. Mehr jedoch auch nicht. Beth Hoffmans Debütroman mangelt es leider an Tiefe und das Potenzial, das die einzelnen, im Roman angesprochenen Themen eigentlich haben, wurde von der Autorin nicht ansatzweise ausgeschöpft. So bleibt das Buch eine sehr seichte und oberflächliche Modifikation von Sue Monk Kidds „Die Bienenhüterin“ und erzielt nicht annähernd eine Wirkung auf den Leser wie andere Südstaatenromane. Wer kurzweilige Unterhaltung oder einen reinen Frauenroman sucht, für den ist „Die Frauen von Savannah“ ideal, wer authentische, anspruchsvolle und vielschichtige Lektüre bevorzugt oder männlich ist, wird Hoffmans Debüt aber wohl nicht zu den wichtigsten Büchern seines Lebens zählen können.
Geplauder